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JUGEND / ARBEIT / CD / 2007

JUGEND - Feature Radio Z, Nürnberg
TextXTND 2007 - 13 Stücke, 54 Min.

Bruchstücke:
Feldforschung im Fundus, hier einer Fiktion namens JUGEND. Bedeutet ua: Verschwindendes wiedergewinnen mit impliziten Mitteln der JUGEND, mit organisertem Geräusch, elektronischen Beats, gezupftem Bass. Am Nerv des Zeitgeists einer distinguierten Teilpopulation selbstverständlich, denn JUGEND ist seit langem AVANTGARDE, Trendscout ihrer selbst, der Verwertbarkeit wie der Verwundbarkeit, ihrer integralen Produktivität * Dem entgegenkommen und es erweitern *
Also Dokument eines Beschleunigungsprozesses, radikalisiert seit dem Roman Werther, zwischendurch politisch aufgeladen, was dann zum Verschwinden eines Teils solcherart Identifizierter, und Weiterer, führte. JUGEND: Eine Karriere. Seit geraumer Zeit für Distinktion, Ausgrenzung. * Ist immer dabei* Selektion. Aber: Entbergung, wo Verkriechen nichts mehr hilft, wo die Nadel statt der Plattenrille das eigene Fleisch ritzt *Ausdruck von * Statistisch und in Hinsicht auf Lebenserwartung gerade für männliche JUGENDLICHE eine hochgefährliche Zeit. Umsetzen, ausprobieren, gelegentlich auch an Zerstörung nicht völlig vorbeischrammen, in kleinem Rahmen zumeist. Einen Rhythmus finden, in dem Subtext mitschwingt. So: Angetanes Leid, unerfüllter Schlaf, Totenstille (Maria Zerfall) bergend, unmögliche Wiederkehr. Endlich Traumes Wirren: Ein Spiel, Illusionen, Heimkehr auch, weitermachen, wenn Eins überlebt.
Wir arbeiten mit dem Rest, dem Angestorbenen (Th. Mann) und alle anderen auch. Assoziationen, gebrochene Pulse, verstolpert und zerstückelt. Dazu immer wieder erweiterter Textraum.
Und von der Furie des Verschwindens zumindest in Deutschland, Italien hinweggeführt: JUGEND. Ein Restposten im Angesicht des Rentnerberges. Last Exit JUGEND. Undsoweiter *
Geklebtes:
Nach Arbeiten zu Eisler und dem Exil, an Volksliedern, der Utopie von Arbeitermacht hat sich das Frankfurter Ensemble arbeit einem Zustand zugewandt, der als solcher ein Konstrukt ist, ein Versprechen und eine Illusion: Jugend. Eine Phase des Übergangs, vielleicht definiert als Spanne zwischem sexuellem Erwachen und dem erwarteten Eintritt in den Verwertungsprozess, somit ein Zeitraum, der zumal derzeit sich ins Endlose strecken könnte: immanent prekär. Textlich abgehandelt wird dieser Komplex an bedeutender Lieddichtung überwiegend des 19. Jahrhunderts und da schon singend von unheiler Welt, Verderben, Krankheit, Tod - eben Pop-Topoi seit langem. Als schöntönendes Glücksversprechen wird derlei Kulturarbeit von Meistern der Tonkunst in klingende Surrogate umgemünzt, aus Schmerz und Trauer gebären sich Erhebung und Genuss. Dies zum einen.
Das trifft auf die Herangehensweise der Gruppe um Oliver Augst, Marcel Daemgen und Christoph Korn: Musikproduktion als Ortungsvorgang: Eine Art Echolot wirft Signale auf musikalisch Vergangenes/Unvergängliches. Die zurückkommenden Echos zeichnen fremde Schatten, formen schemenhafte Wiedergänger, schälen scharfe Konturen aus mit Bedeutungsschutt Überbürdetem.. Was war, Kulturgut verschiedener Generationen, wird zum spukhaft melancholischem Hall von etwas längst nicht mehr Heilem.

Summa:
Grosses namedropping. Schumann/Eichendorff vs Oliver Augst/Marcel Daemgen. Richard Wagner vs Chris Cutler, drums. Haydn/ von Logau vs. Alexandra Maxeiner/ Christoph Korn. Das Traumpaar Goethe /Schubert vs. Thomas Dészy, immerhin gutes altes Klavier. Udo Jürgens/Alexandra vs. Georg Wolf, Bass. Nicht zu vergessen auch dieses gemischte Doppel: Uhland/Brahms trifft auf Rüdiger Carl am Akkordeon. Also zudem ein „Alles was mensch über Musik wissen muss“ - einst und jetzt. Nebenbei wirklich eine Frage der Standards, dessen, was mensch für sich ob seiner Bedeutung eben auswählt oder auch nicht. Und damit der Frage, wieviel jemand kennen muss, um diese Wahl treffen zu können und wie er/sie darauf vorbereitet wird. Immerhin gilt: der Lack des zweckfrei Erhebenden ist ab, er wurde gerade von bildungsbürgerlicher Raserei rücksichtslos entfernt. Asche und Schlacken lassen grosse Schönheit ahnen und legen zudem den kreatürlichen Schrecken frei, der zuvor gemütvoll überwuchert war. So bleiben Vorahnungen und Erfahrungen echten Leids, die in Trauerarbeit zu regelmässig grosser Kunst umgeformt werden konnten. Machmal vielleicht zu beredt, was auf dieser CD denn auch durch die verwendeten Mittel kenntlich gemacht wird.

Last Exit JUGEND:
Missliche Erfahrungen stellen sich ein erstes Mal ein, Ängste, auch Glückserfahrungen. In vergangenen Zeiten nicht weniger als heute, allenfalls anders eingekleidet. So reden und singen die Künstler (nebenbei: keine Droste, keine Clara Schumann - aber Alexandra und Wagners Muse Mathilde Wesendonck) vielleicht in einer ungebräuchlich gewordenen Sprache, aber die mitgeteilten Erfahrungen sind sich ziemlich gleich geblieben. Die Frankfurter Musiker von arbeit mit ihren Gästen schälen den meist unbehausten, gelegentlich überschwänglichen Kern aus Kunstliedern, die heute ohne eine entsprechenden Sozialisation zu nicht mehr Allzuvielen sprechen dürften. „Volkslied“ ist anderes geworden, Produktionen für eine Saison, was der notwendig gewordenen Marktfähigkeit geschuldet ist und ihrem Zwang zur ständigen Reproduktion des Immerähnlichen. Natürlich ist das nur die eine, kapitalismuskritische Sicht der Dinge, die unbedingt ergänzt werden muss um das menschliche Vergnügen der kreativen Abwandlung - nun, des Immergleichen. Da verorten sich denn auch die versammelten MusikerInnen dieses Projekts with a little help from Deutschlandfunk nebenbei. Ein ungeschminkter Blick zurück nach vorn: Nichts wurde aufpoliert oder verhübscht. Und es sind schon gar keine geschminkten Leichen aus dem Keller des Bildungsbürgertums, die da präsentiert werden.
Das gilt selbst für Udo Jürgens.
Nur eins gilt es zu gewärtigen:
Es ist nach wie vor ein Leichtes, dieser Welt abhanden zu kommen. Da kann dann nicht mal mehr Musik helfen, ausnahmsweise.

Anspieltipps: Erlkönig, Tod und Schlaf, Oft denk ich, sie sind nur ausgegangen, Der Tod, das ist die kühle Nacht, Illusionen, Und es sind die finsteren Zeiten

Hans Plesch für ZORES auf Radio Z, 3.4.2007


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