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HUGO BALL BREVIER / 2016

Presse:

"Perfekte Reflexion aus zeitlicher Distanz über Hugo Balls komplexe Persönlichkeit."
(Klettgauer Bote zu HUGO BALL BREVIER)
"Dadaismus professionell: Daneben, dagegen und teilweise auch darüber - Oliver Augsts Stimme immer sonor ausgeglichen."
(Schaffhauser Nachrichten zu HUGO BALL BREVIER)

"Es wurde deutlich, dass DADA keineswegs, wie heute oft dargestellt, reiner Unsinn war - Provokation um ihrer selbst willen -, sondern dass es eine politische Bewegung sein sollte. Ihre Protagonisten haben mitten im Ersten Weltkrieg den Aberwitz und die Heuchelei der Kriegsprogaganda entlarvt. Der Applaus in der überfüllten Clubkneipe belohnte die Interpreten für ihr gelungenes Programm." (club-voltaire.de zu HUGO BALL BREVIER)

MITTWOCH, 29. JUNI 2016
FAZ RHEIN-MAIN ZEITUNG
"Dada in der Kneipe
„Hugo Ball Brevier“ im Frankfurter Club Voltaire
„Gadji beri bimba glandridi laula lonni cadori“ tönt es durch das kleine Souterrain, ein Singsang, Klingklang. Vor genau 100 Jahren hat Hugo Ball (1886–1927) als „magischer Bischof“ verkleidet sein Lautgedicht im Cabaret Voltaire in Zürich vorgetragen, in ein Pappkostüm gehüllt: Die Kunstrichtung Dada war geboren.
Nun steht Oliver Augst im dunklen Anzug am Notenpult, psalmodiert Balls Silbengedichte, die allesamt klingen wie eine Litanei. Fast. „Die Schlacht ist unser Freudenhaus, / Von Blut ist unsre Sonne“ heißt es im „Totentanz“, ebenfalls aus dem Jahr 1916. Es ist mit einem Marsch unterlegt, genauer, dem „Dessauer Marsch“, den Augst intoniert. So fließen Kriegserfahrungen, Angst, Flucht und Exil, ausgesprochene Skepsis der Zukunft gegenüber und, im Falle Balls, eine tiefe katholische Frömmigkeit zusammen.
Augst, der zusammen mit Marcel Daemgen in Frankfurt das Musik-Theater-Label TEXTxtnd betreibt und mittlerweile von Paris aus arbeitet, hat sich mit Reto Friedmann einen Landsmann aus Balls Schweizer Exil als Partner gesucht, um das „Hugo Ball Brevier“ zum hundertsten Geburtstag von Dada zu realisieren. Nach der Uraufführung am historischen Ort, dem Cabaret Voltaire, war es nun im Frankfurter Club Voltaire zu erleben, einer geistesverschwisterten Stätte gewissermaßen. „Dada in der Kneipe“ kündete die Tafel am Eingang – aber das war es dann doch nicht.
Denn Friedmann, der als Autor und Rezitator Balls Prosatexten und Briefen eigene lyrische Paraphrasen beigestellt hat, und Augst, der Balls Gedichte vertont hat, kam es keinesfalls darauf an, eine Dada-Performance nachzuspielen oder auch nur nachzuempfinden. Vielmehr zeichnen die beiden Laut-Sprach-Performer die Skizze eines Künstlers und einer Kunst, die komplex und widersprüchlich ist, kein leichter Jux, wie heute so mancher Dada-Text erscheint. Der „katholische Anarchist“ Ball kommt in der guten Stunde zu Wort und wird gleichzeitig schreibend umwandert, erkundet, was bisweilen sehr gut und plastisch gelingt, dann wieder das ohnehin schon Fremde noch mehr verrätselt. Inszeniert wie Balls Auftritt als Papp-Bischof wirkt nichts an diesem Brevier, absichtsvoll schlicht geht es Augst und Friedmann offenbar nur darum, lange ungehörte Perlen ans Licht zu heben. Ein bisschen mehr Verve hätte es sein können – im Herbst will TEXTxtnd, dann wieder das Team Augst/Daemgen, eine CD mit Ball-Vertonungen herausbringen. Die sollen mit Klavierbegleitung sein – darauf kann man sich schon freuen."       Eva-Maria Magel

Frankfurter Rundschau 28. Juni 2016"Hugo Ball
Drei diskrete Mikrophone
Von Hans-Jürgen Linke Dadaist, Katholik, Anarchist: Ein Hugo-Ball-Brevier mit Oliver Augst und Reto Friedmann im Club Voltaire in Frankfurt."

"Voltaire ist die Klammer: Im Zürcher Cabaret Voltaire wurde im Februar 1916 unter dem Etikett Dada eine vor sich selbst erschreckende Moderne geboren. Ein Jahrhundert später stehen Reto Friedmann und Oliver Augst auf der kleinen Bühne des Frankfurter Club Voltaire vor einem Publikum in klassischer Cabaret-Anordnung – an Tischen Speisen und Getränke verzehrend – mit einem Hugo-Ball-Brevier.
Hugo Ball aus Pirmasens gehört zu den Mitbegründern von Dada, einer Bewegung, die nur Mitbegründer hat und heute der Kunstgeschichte zugeordnet wird. Damals hätte das den beredten Zorn der Dadaisten erregt. „Wenn man eine Kunstrichtung daraus macht, muss das bedeuten, man will Komplikationen wegnehmen“, schrieb Hugo Ball. Dada war ein Symptom der unfassbaren Komplikationen zwischen einer von Menschen geschaffenen Industrie und den Menschen selbst auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs. „So morden wir, so morden wir / Und morden alle Tage“, sang Hugo Ball zu der bekannten Melodie. Nach der Erfahrung der Materialschlachten gab es kein Weiter-So mehr. „Ich lese Verse, die nichts weniger vorhaben als: auf die Sprache zu verzichten. (...) Ich will keine Worte, die andere erfunden haben. Alle Worte haben andere erfunden“, schrieb Hugo Ball.
Er ist kein Spaßmacher
Die drei Notenständer auf der Bühne stehen für die drei Identitäten Balls: Dadaist, Katholik, Anarchist. Wie das zusammenpasst, wird sich zeigen. Anfangs unterbrechen sich Augst und Friedmann mehrfach und zelebrieren das Unverbundene. Nach und nach aber lassen sie zusammenwachsen, was zusammengehört im dadaistisch-katholischen Anarchisten. Hugo Ball, der Wort- und Sinnauflöser, bleibt dabei ganz und gar konservativ reimender, singender Lyriker, wie Augsts markant baritonaler A-Cappella-Gesang unterstreicht. Ball ist Anhänger der Münchner Räterepublik, spricht von Jesus, liest Bakunin und ist kein Spaßmacher, auch wenn er zum Lachen reizt.
Friedmann und Augst fühlen sich auf der kleinen Bühne in dem intimen Raum wohl. Es gibt keine Musikinstrumente und außer dem Gesang keine Musik, nur drei diskrete Mikrophone, die ihre akustische Überlegenheit über das Publikum sichern. Auf den größeren Bühnen, auf denen sie das Ball-Brevier bisher gespielt haben, konnte eine solche Nähe kaum entstehen. Das Publikum ist allerdings in den letzten 100 Jahren ein bisschen aus der Dada-Übung gekommen und hat nur wenige und vergleichsweise höfliche Einwürfe. Hat es gelernt, dass, wie Hugo Ball schrieb, „das Wort eine oeffentliche Angelegenheit ersten Ranges“ ist?"


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