KOMET / 2006
5 Tische, 5 Akteure, frontal zum Publikum hin ausgerichtet, elektronische
Klangerzeuger, Mikrophone, Kabel, Projektionsflächen, alles ist sichtbar,
nichts wird verborgen. Es ist eine Versuchsanordnung. Der Versuch gilt Robert
Schumann. Die Anlage ist bewusst provisorisch, der dramaturgische Verlauf
offen. Keine als Konzept zuvor festgelegte Botschaft wird transportiert.
Vielmehr kann die Arbeitsweise des Stückes KOMET als diskursiv bezeichnet
werden: Eine Vielzahl nah aneinander liegender bis heterogener Diskurse aus
Klang, Sprache, Text werden in den Raum katapultiert, durchkreuzen, überschneiden,
löschen sich, bilden momenthaft Knotenpunkte, Verweise, Relationen,
die sich im nächsten Augenblick wieder aufzulösen scheinen, um
sich in veränderten Bezügen als Textur wieder neu zu formieren.
KOMET (von griech. kome = Haar; Schweifstern, Irrstern) mag als Andeutung
auf Schumann selbst als auch auf seine Epoche verstanden werden. Schumann
als Komet: immer und immer wieder durch Ängste, Überhöhungen,
Selbstansprüche und Todessehnsucht von der ihn umgebenden Welt isoliert,
irrlichtartig allein auf sich selbst und in sich selbst zurückgeworfen.
Was die Epoche als Gefühl und Atmosphäre nahe legt, trifft bei
Schumann auf eine höchst sensible Persönlichkeit. Hier eben setzt
unser erstes Interesse an: Schumanns STRATEGIE, mit sich selbst und mit der
Welt fertig zu werden. Wir bezeichnen Schumann als einen "Strategen
von unten". Strategien von unten unterscheiden sich grundsätzlich
von Strategien von oben. Wer im Keller sitzt - also unten - wenn die Bomben
vom Himmel abwärts fallen, dem helfen keine Strategien von oben. Schumann
war so jemand, der oft, zu oft, bis er an einem Rosenmontag in den Rhein
springt, in den Kellern saß. Er entwickelte Strategien von unten: als
Tagebuch, als Briefwechsel, als Prosa, als Musik oder durch die Gründung
der "Neuen Zeitschrift für Musik".
Wenn das Phänomen „Zeit“ als eine Art von Speicher verstanden
wird, als Struktur, in die Generationen und Massen subjektiver Geschichtskräfte
sich eingeschrieben haben, können wir uns Schumann als einen Riesen
vorstellen. Bei gleich bleibender Wachstumstätigkeit aller Körperglieder
und Sinne über die Generationen hinweg wäre Robert Schubert heute
ein Riese von knapp 10 Metern Größe.
KOMET entspannt sich als Arbeit an und um Robert Schumann, als ein weit
verzweigtes Liniensystem, Netz, Karte, Atlas. Schumann wird weniger in
seinen Konturen
nachgezeichnet, als durch mannigfaltige Verweise und Erinnerungsspuren
in ein permanent sich bewegendes Feld überführt; fragmentarisch, eher
abbrechend, als ausführend, durch Sprach- und Klangmetaphern an seine
Epoche angebunden und durch aktuelle Sounds, Formen und Diskurstypen ins
zeitgenössische hinein erweitert.
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