BRECHT EISLER
/ ARBEIT / CD / 1998
ARBEIT im Gespräch:
"Arbeit" im Gespräch mit Barbara Leithäuser,
September 1998
Barbara Leithäuser: Es gibt ja eine sehr große Anzahl von
Brecht/Eisler-Liedern. Unter welchen Gesichtspunkten habt Ihr die nun vorliegenden
ausgewählt
und was interessiert Euch gerade an diesen?
Christoph Korn: Wir haben uns
ja vorher gar nicht überlegt, wir nehmen dieses oder jenes Stück,
weil...Irgendwie gab es da ein stillschweigendes Einvernehmen, die Stücke
von Brecht und Eisler auszuwählen, die eher einen Zugang zur Geschichte
vom Standpunkt des Schwachen oder Minoritären aus ermöglichen *
dies zeigt sich auch in der ganz unfunktionalen, sperrigen, manchmal grotesken
und sehr oft "zarten" musikalischen Form. Wie z. B. beim "kleinen
Radioapparat": Da geht es ersteinmal gar nicht um Revolution und Kanonen;
da ist eher etwa die Erfahrung des Exils intim beschrieben, da geht es eher
darum, angesichts des Grauens den Begriff vom Menschen wiederzuentdecken.
Oder wie beim "Lied vom Pflaumenbaum" - das haben wir hier gar
nicht bearbeitet, aber da ist das für mich am stärksten formuliert.
Dieser Pflaumenbaum ist klein und schwach, der wächst kaum, der hat überhaupt
keine Früchte und ein kleiner Zaun umgibt ihn, damit ihn keiner zertritt.
Schließlich fragt Brecht: Woran erkennt man den nun den Pflaumenbaum?...Man
erkennt ihn an dem Blatt...
Ich glaube, Brecht und Eisler haben in diesen Liedern etwas politisches,
historisches und ästhetisches formuliert; etwas, das sich in gewisser
Weise da eingenistet und abgekapselt hat, eine Art Wahrheit und Erfahrung,
die stark ist und auch geschichtlich überdauern wird und uns zugänglich
bleibt. Ich finde, das ist ein Unterschied zu den ganz funktional geschriebenen
Kampfliedern. Stellt Euch mal den DGB-Chor vor, der das "Einheitsfrontlied" singt: "...wo
dein Platz, Genosse, ist. Reih dich ein in die Arbeitereinheitsfront, weil
du auch ein Arbeiter bist." Stellt Euch das mal vor...grotesk, das ist
reine Nostalgie.
Andererseits, wie der Christoph Seipel das mit der "Resolution" auf
der CD macht, das, finde ich, geht schon wieder. Der hat mit Hilfe der aktuell
zur Verfügung stehenden Musiktechnologie noch eins oben drauf gesetzt.
Dadurch behält das, finde ich, seine ganze utopische Kraft.
Barbara Leithäuser:
Oliver, kannst Du etwas über Deinen gesanglichen Ansatz sagen im Kontext
mit den Brecht/Eisler Liedern?
Oliver Augst: Zunächsteinmal habe ich
die Brecht/Eisler Lieder immer wahrgenommen und genutzt als Gesangsstücke,
die eingängig sind, subtil, schön; die eher dem Pop nahestehen
als der E-Musik. Aber natürlich sind sie auch im Sinne der E-Musik akademisch,
nämlich in der Form, wie sie geschichtliche Erfahrung in der Verbindung
von Text und Musik komplex auszudrücken vermögen * aber ohne all
diese Langeweile und den Staub, der uns da allenthalben entgegenweht! Diese
Lieder sind eher stark aus der virtuosen Verbindung von Sinnlichkeit und
stoischer Reflexion. Mir hat nie ganz eingeleuchtet, warum man diese Lieder
mit überdeutlich gerolltem R und krächzendem Impetus singen sollte.
Sicher, Brecht und Eisler wollten das offenbar so, aber das ist ja nun schon
lange her. Wie Du schon sagtest, Christoph, man stelle sich den DGB-Chor
vor...
Bis 1945 tobte die Barbarei, in der 60er und 70er Jahren dann die notwendige
Revolte der nächsten Generation und wenn es etwas gibt, das ich heut
der sog. Postmoderne abgewinnen kann, dann ihren Hedonismus und die Möglichkeit
zur Versöhnung.
Barbara Leithäuser: Marcel, was war Dein Beweggrund,
die nun doch schon mannigfach interpretierten und ja auch zugänglichen
Brecht/Eisler Lieder noch einmal neu zu interpretieren und zu veröffentlichen?
Marcel
Daemgen: Zum einen war für mich die Beobachtung ausschlaggebend, daß es
unter den im Vergleich zu anderen Komponisten raren Plattenveröffentlichungen
Eislers nicht im entferntesten Liedbearbeitungen gibt, die meinen musikalischen
Vorstellungen entsprechen. Zum anderen war mir wichtig, die Lieder von ihrem
DDR- und Hochschul-Muff zu befreien und sie in einer zeitgemäßen
und populären Form zu interpretieren. Denn wenn heutzutage noch jemand
Hanns Eisler kennt, dann entweder über seine inzwischen überkommenen
Kampflieder oder über seine "ernsten" Werke, die aber in der
Regel ausschließlich den wenigen Hörern der "Neuen Musik" vorbehalten
bleiben. Die Interessenten anderer Musikstile * Jazzmusik, experimentelle
und auch Popmusik - , die große Mehrheit also, werden von diesen Darbietungsformen
nicht erreicht. Diese Lücke zu schließen, auch im Sinne Eislers
zu schließen, war mein Anliegen. Ich verweise nur auf das das ganze
Werk Brechts und Eislers durchdringende Moment des plebejischen.
Andererseits, und ich denke, das kann ich stellvertretend für uns alle
formulieren, sehen wir die Neuinterpretation seiner Lieder als Gelegenheit,
unsere musikalisch-ästhetische Arbeitsweise eines sublimen avancierten
Pop dem traditionell eher klassisch-literarisch interessierten Hörerkreis
des Eisler-Oeuvres zugänglich zu machen.
Booklet Info
Presse
"Eisler, experimentell arrangiert" (Frank Kämpfer, Deutschlandfunk Kultur, 21.03.1999)
"... zur Rezeption des Komponisten Hanns Eisler" (Hans Jürgen Linke, Goethe Institut)
Konzept/Hintergrund
ARBEIT im Gespräch
Cover
Live - Lange Hanns Eisler Nacht, Jena
2017
Live 2006
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