SELBSTBESCHREIBUNG / 2021
In seinem künstlerischen Schaffen bedient sich Michael Riedel (*1972) seit Mitte der 90er Jahre immer wieder Materialien, die den ihn umgebenden Kunstbetrieb aufzeichnen und abspielen. Dabei ist ihm die Kommentarbedürftigkeit von Kunst eine schier unerschöpfliche Quelle für Textmaterial aus dem sich seine grafischen Arbeiten zusammensetzen.
Unter dem Titel ?z?lpstb????a??b?? (phonetische Schreibweise für ‚Selbstbeschreibung’) zeigte das Museum der bildenden Künste Leipzig 2019 eine Ausstellung mit den für Riedel typischen Bildwerken, die als Ausgangspunkt für eine 22-stimmige Klanginstallation dienten. Aus der Sammlung von Sounddateien, die Riedel mit Hilfe von Reader-Programmen in den letzten Jahren produziert hat, hat Oliver Augst, Musiker und Komponist, einen Soundtrack arrangiert, der den Rhythmus, der visuell ablaufenden Muster wiedergibt und nun als Hörspiel seine auditive Weiterentwicklung findet.
Die Bilder kommen nun endlich einmal selbst zu Wort, ja sie fangen zu sprechen und zu singen an. Und zwar von A bis Z: Namen, Begriffe, Geldbeträge als Skelett des heutigen Betriebssystems Kunst.
So entsteht ein subjektives Wörterbuch des Kunstbetriebs, frei nach Antonin Artaud „haargenau in eine tobende Ordnung gebracht“, eine arbiträre neue Systematisierung.
Augst lässt das Reden und Reflektieren über Kunst zu Kunst und Soundtrack werden und so zu uns zurück sprechen. Dieser Ansatz schreibt das Material kompositorisch weiter, vervielfacht den selbstreferentiellen Informationsgehalt und lässt ihn zu einem neuen komplexen poetisch-abstrakten Kosmos anwachsen. Textbilder beginnen zu sprechen und die Selbstbeschreibung zu beschreiben: Der Kreis schließt sich. Das Layout der Bildflächen speichert als grafisches Ereignis nicht mehr nur die Geräuschkulissen des ‚Betriebssystems Kunst‘, sondern erzeugt selbst den Diskurs-Sound.
Eine Kunst der Gesellschaft, die sich der Selbstbeschreibung verschrieben hat. (Marcus Andrew Hurttig)
Credits:
Alle Texte sind im Kontext von Riedels künstlerischen Aktivitäten entstanden, O-Tonaufnahmen, Mitschnitte, sortiert, bearbeitet in Typografie und Grafik, anschließend in Klang transformiert mittels verschiedenster Computer-Sprachprogramme aller Generationen, einem sogenannten ‚GhostReader‘ im Internet sowie dem Gesangsstimmengenerator ‚AlterEgo‘.
Quellen sind z.B. die Partys der legendären "Freitagsküche" in Frankfurt, Ausstellungseröffnungen, Telefongespräche ... Und Texte aus Riedels Kunst-Katalogen: Meckert, Perlstein, Oskar, Digital Dandy ...
Unter Verwendung von Hanns Eislers A-cappella-Kantate "Oh endless is this misery".
Mit den Computerstimmen: Bones, Bruce, Catherine, Fiontan, Marie Ork, Markus, Mieke, Sarah, Vicky, Victoria u.v.m.
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Michael Riedel studierte an der Kunstakademie Düsseldorf, der École nationale supérieure des beaux-arts de Paris und der Städelschule in Frankfurt am Main. Er ist Professor für Malerei an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und
lebt in Frankfurt am Main.
Oliver Augst:
Paris, Frankfurt, Ludwigshafen am Rhein
Musik-, Hörspiel- und Bühnenproduktionen, verschiedene Ensembles, internationale Konzerttätigkeit.
„Frankfurts zentraler Künstler im experimentellen Grenzbereich von Musik, Hörspiel, Literatur und Theater.“ (M. Pees, Mousonturm)
"He is a musician that is crossing real boundaries. If you haven't heard of him, it's because he's crossed a boundary that matters." (Downtown NYC)
www.textxtnd.de
(Michael Riedel, Muster des Kunstsystems, 2017)