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LOU REED IN OFFENBACH / 2020

PRESSE- UND MEDIENSPIEGEL

4.4.2020
FAZ Kultur
Eine sehr seltsame Erfahrung
Wie Oliver Augst am Künstlerhaus Mousonturm unfreiwillig der erste hiesige Streaming-Künstler wurde
Von Eva-Maria Magel
Sein neuestes Stück feierte online Premiere: Live-Streams sind für Oliver Augst dennoch eine Notlösung. Foto: J. Pauli
FRANKFURT Ob man nun am heimischen Computer ein Hörspiel erschafft oder mit einem Livestream ein Hörtheater in die Welt schickt, scheint auf den ersten Klick keinen Unterschied zu machen. Der Unterschied sei enorm, sagt Oliver Augst. „Es fühlt sich seltsam an. Vereinsamt. Da gibt es immerhin eine Parallele zum Hörspielmachen, das ist auch einsam und seltsam.“ Dem Komponisten, Produzenten, Sänger, Autor und Performer ist die Rolle zugefallen, als erster hiesiger Künstler im Livestream ein „Geistertheater“ zu bespielen – ohne Publikum.
Am 13. März, an dem Tag, an dem die Schließung der Frankfurter Theater in Kraft trat, hätte sein Musiktheaterstück „Lou Reed in Offenbach“ am Frankfurter Mousonturm uraufgeführt werden sollen: Augst hat mit Brezel Göring und Françoise Cactus alias Stereo Total zwölf Songs neu komponiert oder interpretiert und verbindet die Erinnerung an das Skandalkonzert Lou Reeds am 6. April 1979, das er als Teenager durch einen Zufall besucht hat, mit einem dichten und unterhaltsamen Künstler- und Zeitporträt. Erst am Abend zuvor war die Schließung der Frankfurter Kulturinstitutionen bekanntgegeben worden.
Der Mousonturm hatte spontan dem Produktionsteam einen Livestream ermöglicht: „Wir hatten mit der Leitung des Mousonturms klargemacht, dass wir in jedem Fall diesen ersten Abend spielen würden, und wenn es nur für uns und für eine Videoaufzeichnung wäre“, sagt Augst, der dem Haus schon seit 1990 verbunden ist und als junger Künstler dort ein Atelierstipendium hatte. Da mit ihrer normalen Videotechnik jedoch keine Streamings möglich waren, sprang das Künstlerhaus ein und besorgte sogar das passende Team. Das Haus habe sich ganz besonders kollegial gezeigt, so Augst. „Es waren dann noch einige andere Leute aus dem Künstlerhaus und dem Team da, das war einer der wirklich großartigen Momente dieses Abends, die haben uns ganz toll supportet.“
Das zeige aber auch „die Grenzen, den heiklen Moment dessen, was im Live-Streaming geht.“ Denn ein Abend wie „Lou Reed in Offenbach“ beruhe, wie die meisten seiner Musik-Performances, darauf, dass eine Arbeit mit Live-Musikern erst im Tun entsteht: „Wir haben das nicht bis aufs letzte i-Tüpfelchen auskomponiert, es ist gewollt, dass es etwas rough bleibt. Das hängt auch mit meinen Kollegen zusammen, die nicht einfach etwas abspulen.“
Bei solchen Kunstformen fehlten dann aber das Live-Erlebnis und die Interaktion. „Es macht da im Grund keinen Sinn, wenn niemand da ist, dem man es präsentiert. Das ist auch der Unterschied zu einem klassischen Konzert. Wenn das gut einstudiert ist, kann man es im Prinzip auch ohne Zuschauer spielen. Bei uns fehlt dann das Gegenüber – und uns ist klargeworden: Da sind Grenzen. Auch wenn wir da jetzt auf der Bühne miteinander Spaß hatten und sich die netten Leute vom Mousonturm da hingesetzt haben.“
Daran, dass niemand direkt miterlebt, wie er ein Werk erschafft, müsste Augst, geboren 1962 in Andernach, aufgewachsen in Offenbach, gewöhnt sein. Schließlich produziert er mit seiner Künstlergruppe TEXTxtnd viele Hörspiele für große Sender. Auch dabei gebe es keine Interaktion, keinen Applaus und oft genug auch später keine Reaktionen, so Augst. Dennoch: „Es ist eine sehr seltsame Erfahrung gewesen. Ich habe mir das Gestreamte nachts noch angeschaut und festgestellt, dass es ganz gut rüberkam – aber es hat sich nicht so angefühlt.“
Auch unabhängig von der Corona-Krise sei Streaming als Angebot in der Welt. Augst plädiert aber dafür, dass in der darstellenden Kunst die Qualität des Erlebnisses und der Unterschied zur Live-Darbietung bewusstgemacht werden solle. „Vielleicht sollte man das in der aktuellen Situation nicht hinterfragen – wir reden hier über Notbehelfe. Als Künstler oder reflektierender Mensch stellt man sich aber Fragen, wohin das führt. Der Rückzug in die Medien geht ja weiter als über die aktuelle Krise hinaus.“ Für ihn war der Live- Stream eine „Notlösung“, ihm fehlten die Feinheiten, das Deckungsgleiche.
„Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass man ohne Publikum für das Medium Streaming gute Kunst machen kann – aber diese Art der Übertragung muss man hinterfragen.“ Da auch Augst nicht nur Live-Künstler ist, sondern Komposition und Konzepte am heimischen Computer entstehen, hat er jetzt trotz der unsicheren Lage zu tun: „Lou Reed in Offenbach“ ist aufgenommen für eine Hörspielproduktion, die fehlenden Sprachaufnahmen sind beim Hessischen Rundfunk gleich nach der Uraufführung noch entstanden. Gleichzeitig mit dem fertigen Bühnenstück haben Augst und sein Team eine Schallplatte produziert: Vinyl, limitiert auf 500 Stück und von einem umfangreichen Booklet begleitet, digital ist es auch über Bandcamp zu finden. „Da steckt viel Arbeit drin.“ Nun entstehe aus dem Material das Hörspiel noch einmal ganz neu, angepasst an das Medium Radio. „Ich hatte genau das vor, was ich jetzt auch zwangsweise machen muss: Ich sitze zu Hause und mache das Hörspiel fertig. Dann kommt die Kür, wenn ich das selbst anhöre und mich frage, ob es ein gutes Hörspiel ist.“
Das Hörspiel „Lou Reed in Offenbach“ wird am 30. Mai in hr2 in der Reihe The Artist´s Corner um 23 Uhr gesendet.




26.3.2020
JOURNAL FRANKFURT

lrio 4




2020/03
city plus frankfurt aktuell
KONZERTTIPP
„Lou Reed in Offenbach“– Ein Feature-Fiction-
Hörspiel mit Stereo Total und Oliver Augst
Die Uraufführung im Mousonturm Frankfurt konnte im März wegen
des Ausbruchs der Coronakrise nur im Internet live übertragen werden.
Das Offenbacher Label „unbreakmyheart“ und das Kulturamt
veröffentlichen nun eine limitierte Schallplatte zur Aufführung.
Oliver Augst und die Pop-Eklektizisten Françoise Cactus und Brezel
Göring von Stereo Total präsentieren ein performtes Konzeptalbum,
eine Hommage und Fabulation über Lou Reed und das eigene
Fansein. Es entsteht eine Hörspielproduktion mit hr2 und wdr2
(Ursendung am 30.Mai 2020). Das Album kann unter dem folgenden
Link gehört und bestellt werden.
http://www.loureedinoffenbach.bandcamp.com




16.3.2020
Frankfurter Rundschau
Mousonturm
„Lou Reed in Offenbach“: Who cares about Offenbätsch?
von Stefan Michalzik
Premiere per Livestream: Oliver Augsts Musiktheaterperformance „Lou Reed in Offenbach“ am Mousonturm.
Nun also Theater zu Hause, vom Sofa aus, bei einem Glas Rotwein. Kein übler Behelf derzeit. Die Premiere des Stücks „Lou Reed in Offenbach“ von und mit Oliver Augst sowie Françoise Cactus und Brezel Göring vom genial-dilettantischen Berliner Pärchen-Popduo Stereo Total im Frankfurter Mousonturm fand statt, per Livestream. Lebhafter Jubel zu Beginn und am Schluss – eine „Geisteraufführung“ war es dann doch noch nicht, gespielt wurde vor einem internen Publikum.
Jeder singt mal

Die „musikalische Feature-Fiction-Performance“ kreist um ein legendär desaströses Konzert von Lou Reed am 6. April 1979 in der Offenbacher Stadthalle. Es war das erste Rockkonzert, das Oliver Augst besuchte, als 17-Jähriger, mitgeschleppt von seiner Tanzstundenpartnerin, in die er verschossen war. Was nicht Augst erzählt, sondern Brezel Göring, wie überhaupt hier ständig die Positionen wechseln: Jeder singt mal, jeder sitzt mal am Schlagzeug. Der Lo-Fi-Sound wechselt zwischen einer mimetischen Anverwandlung des musikalischen Idioms von Reed und Geräuschhaftigkeit. Augsts profunder Bariton trifft im Duett auf die kieksig-französelnde Stimme von Françoise Cactus.
So gut wie gar nicht gespielt hat wohl der seinerzeit schwerst drogen- und alkoholabhängige Lou Reed an besagtem Abend. Erst ließ er das Publikum eine Ewigkeit warten – „I hate the audience“, bekommt er im Stück in den Mund gelegt, „Who cares about Offenbätsch?“ –, dann brach er das Konzert bald ab. Er nahm die Garderobe auseinander, das Publikum den Saal. Der Musiker wurde festgenommen.
Zwischen die Songs eingeschoben sind Zeitzeugenberichte sowie fiktionale Äußerungen von Weggefährten um Lou Reeds egomanisch-aggressiven Charakter, dessen Hintergrund – die Eltern hatten Reed wegen seiner homoerotischen Neigungen zu einer Elektroschock-Therapie angemeldet – das Trio nachgeht. In seinen Songs beschreibt Reed Figuren des queeren New Yorker Undergrounds der späten sechziger und frühen siebziger Jahre – hier lassen sich in Umkehrung der Verhältnisse ebensolche über das fatal launenhafte und gewalttätige „Rock’n’Roll Animal“ aus.
Arrangiert ist das originell mit irrwitzig trashig schnarrenden und fiependen Synthiesounds und einer rumpeligen Riffgitarre. Wenngleich das Publikum aus Mitarbeitern des Hauses, Freunden und Musikerkollegen bestanden haben muss – gefeiert wurde die außerordentlich gelungene realfiktionale Montage zu Recht.
Sendung der Hörspielfassungam 30. Mai auf hr2-Kultur.




14.3.2020
WDR 3 Open Sounds / Hauptsache Musik
von Klaus Walter
Musik über Musik heute bei Open Sounds auf WDR3. Bei der Recherche zu dieser Sendung ist mir aufgefallen, dass Musik über Musik doch eine Männerdomäne ist, vor allem Musik über Rockmusik ist für Männer offenbar wesentlich interessanter als für Frauen. Und die Frau in der Musik? Hat nicht viel zu melden. Meldet Francoise Cactus mit Stereo Total.

003    2.08    Stereo Total           Die Frau in der Musik

26 Die Frau in der Musik, hysterisch, eine Hure in der Küche, eine Köchin im Bett. Stereo Total, das Duo Francoise Cactus und Brezel Göring. Dieser Tage haben die beiden zusammen mit dem Musik-Allrounder Oliver Augst im Frankfurter Mousonturm eine Art Musik über Musik-Musical aufgeführt, sie selbst nennen es eine musikalische Feature-Fiction-Performance. Das Stück heißt „Lou Reed in Offenbach“ und zum Inhalt sagen 
Augst / Cactus / Göring folgendes:

1. Sprecher: Ein 17-Jähriger wird von seiner Flamme auf sein erstes Rock-Konzert in die Stadthalle Offenbach geschleppt. Nichtsahnend. Who the heck is Lou Reed? Die Frage bleibt. Denn was folgt, ist ein Konzert, das nie stattfindet, ein Star, der mit seinem „Auftritt“ die deutsche Provinz um DAS Konzert ihres Lebens bringt. Entlang der Skandal-Performance Reeds spinnt Musik-Universalist Oliver Augst mit den Pop-Eklektizisten Françoise Cactus und Brezel Göring von Stereo Total eine musikalische Feature-Fiction-Performance über Lou Reed. 12 Songs, Neu-Kompositionen, Interpretationen und ein Cover, die den Star aus Sicht seiner Wegbegleiter und anderer Zeitzeugen beschreiben. So entsteht, als Teil von Augsts „Archiv Deutschland“, ein vielschichtiges Porträt – des Rockstars Reed mitsamt der New Yorker Kunst- und Musikszene und der parallelen Lebenswelten in der bundesdeutschen Provinz der Siebziger.

Das Musical von Augst / Cactus / Göring beruht also auf einem realen Ereignis.
Ein Konzert von Lou Reed und seiner Band 1979 in der Offenbacher Stadthalle. Und wie das Leben so spielt war ich damals dabei an diesem denkwüdigen Abend. Allerdings ist meine Erinnerung ziemlich verblasst. Ich weiß zwar noch, dass das Konzert in einem Eklat geendet ist und dass Lou Reed eine Nacht  im Knast verbringen musste, aber viel mehr auch nicht. Besser erinnert sich ein gewisser Ralph Baller aus Offenbach dieser Tage in der Offenbach Post:

2. Sprecher: „Die Stimmung war von Anfang an negativ aufgeladen, da Lou Reed erst mit circa 45-minütiger Verspätung auf die Bühne kam. Dann ging das Konzert los mit einer krachenden Version von „Sweet Jane“, was die Fans zunächst versöhnte. Doch schon nach dem zweiten oder dritten Lied kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen Reed und lautstarken Fans, in deren Folge die Aggressionen auf Reed (...) weiter stiegen. Die vielfach alkoholisierten Fans ließen ihrem Unmut freien Lauf. Daraufhin unterbrach Reed das Konzert und forderte, dass diese Personen den Saal verlassen müssten. (...) Dadurch eskalierten die Aggressionen weiter und Reed verließ (...) die Bühne. Nun tobte der Saal vor Wut. Ein Sprecher teilte (...) mit, dass Lou Reed in einer sehr angespannten psychischen Verfassung sei, man wolle ihn aber überreden, das Konzert fortzusetzen. Nach zehn Minuten kehrte er auf die Bühne zurück und führte das Konzert mit Songs aus dem Berlin-Album zunächst fort.
Als jedoch ein Bierbecher oder ein Feuerzeug auf die Bühne geworfen wurde, stoppte er (...) die Performance. Im Tumult (...) sprang eine junge Frau auf die Bühne und rannte direkt auf Reed zu, der sie mit einem Reflex zu Boden ringen konnte. Die Situation wurde immer gefährlicher und Reed und seine Band verließen erneut die Bühne. Die Fans harrten noch circa 30 Minuten (...) aus, bis die Durchsage kam, das Konzert werde nicht fortgesetzt. Daraufhin kam es zu Sachbeschädigungen. Einige hundert Stühle wurden in Richtung Bühne geschmissen. Beim Verlassen der Halle konnte ich noch den Polizeiwagen sehen, mit dem Reed abtransportiert wurde. Am nächsten Morgen erfuhr ich aus der Offenbach-Post, dass Reed eine Nacht im Offenbacher Gefängnis verbracht hatte.“

41 Jahre später also nehmen Oliver Augst, Francoise Cactus und Brezel Göring den Skandal in Offenbach zum Ausgangspunkt für ihre musikalische Feature-Fiction-Performance über Lou Reed. Den Soundtrack zu „Lou Reed in Offenbach“ gibt´s auf Vinyl und er beginnt mit „Lou says“. 29

001    3.05    Augst / Cactus / Göring               Lou says

“Lou says”, Augst / Cactus / Göring aus dem Soundtrack zu „Lou Reed in Offenbach“. “Lou says” variiert eine bewährte Lou-Methode: Ob mit seiner Band The Velvet Underground oder solo, Lou Reed schrieb gerne Songs, in denen Frauen etwas sagen: Candy says, Stephanie says, Caroline says. Und auf „Caroline says“ spielen Augst / Cactus / Göring an im eben gehörten “Lou says”: “All of his friends call him an asshole”, heißt es da. Das bezieht sich auf die Tatsache, dass sich Lou Reed Zeit seines Lebens in der Rolle des Arschlochs gefallen hat und sich auch immer wieder bei Freunden unbeliebt gemacht hat. In Reeds Original von „Caroline says“ heißt es allerdings nicht „All of his friends call him an asshole” sondern “all her friends call her `Alaska´”.

4.25   Lou Reed                        Caroline says

37“Caroline says”, Lou Reed in Open Sounds auf WDR 3, heute unter dem Moto “Hauptsache Musik”, es geht um Musik, in der Musik die Hauptsache ist. Musik über Musik, Meta-Musik, in diesem Fall Musik über Lou Reed in Offenbach.
„Lou Reed in Offenbach“, so heißt das Musical von Oliver Augst, Françoise Cactus und Brezel Göring, das an diesem Wochenende in Frankfurt Premiere hatte, den Soundtrack dazu gibt’s auf Vinyl und daraus möchte ich noch einen Song spielen, er heißt „I hate Hippies“. Darin erzählt Francoise Cactus, dass sie Hippies haßt und dass Lou Reed ebenfalls Hippies gehaßt hat. Er trägt keine Blumen im Haar, lieber schwarzes Leder und SM Outfits. Tatsächlich war ja  Lou Reeds Band The Velvet Underground die Anti-Hippie-Band aus dem Bilderbuch.

004    3.11    Augst / Cactus / Göring               I hate Hippies

41 „I hate Hippies“, Augst / Cactus / Göring aus ihrer Feature-Fiction-Performance „Lou Reed in Offenbach“. Der Hass auf Hippies hat ja auch viele Punks angetrieben und da ist es nur logisch, dass viele Punkbands sich auf The Velvet Underground bezogen haben, oder anders gesagt: Dass The Velvet Underground eine der wenigen Bands waren, die von Punk nicht auf den Müllhaufen der Geschichte befördert wurden. Von Lou Reed und seiner Band stammt auch ein Stück Meta-Musik über Rock´n´Roll. Der Song beschreibt das Erweckungserlebnis eines fünfjährigen Mädchens, das sich schrecklich langweilt. Dann aber, eines Morgens schaltet sie das Radio ein, eine New Yorker Station, und ihr Leben wird gerettet durch Rock'n'Roll. Diese Geschichte erzählen Velvet Underground zu einer Musik, die tatsächlich Leben retten kann. Zumindest für viereinhalb Minuten. Lou Reed hat dazu mal das hier gesagt:

1. Sprecher: „Der Song `Rock´n´Roll´ ist autobiografisch. Wenn ich nicht Rock´n´Roll im Radio gehört hätte, hätte ich nie erfahren, dass es Leben gibt auf diesem Planeten. Das wäre verheerend gewesen, der Gedanke, dass alles immer und überall so sein sollte wie bei mir zu Hause. Das hätte mich komplett entmutigt. Mich hat nicht das Kino gerettet, mich hat nicht das Fernsehen gerettet. Mich hat das Radio gerettet.

4.25   The Velvet Underground              Rock´n´Roll

47 The Velvet Underground, „Rock´n´Roll“ geschrieben von Lou Reed, am Schlagzeug stehend: Maureen Tucker. Frauen am Schlagzeug sind eine Rarität in den Sechzigern, erst Recht stehende Frauen am Schlagzeug, Maureen Tucker pflegte im Stehen zu spielen, ihr ist ein Song gewidmet auf dem Album „Lou Reed in Offenbach“. Er heißt „Die manische Schlagzeugerin“, da schlüpft die Schlagzeugerin Francoise Cactus in die Haut der Schlagzeugerin Maureen Tucker  und erzählt von der Hassliebe zwischen Maureen Tucker und Lou Reed.

007    3.06    Augst / Cactus / Göring               Die manische Schlagzeugerin

51 Augst / Cactus / Göring, „Die manische Schlagzeugerin“ und diese
manische Schlagzeugerin wollen wir jetzt auch hören. Nach dem Ende von Velvet Underground hat sich Maureen Tucker zurückgezogen, aber in den 80ern kam sie dann zurück mit ihrem manischen Schlagzeug und nahm ein paar minimalistische Meisterwerke auf. Oder besser Meisterinnenwerke. Von Meisterinnenwerk dürften allerdings in dem Fall nur Leute reden, die ein Herz für Trash haben. Trash Records ist der Name der Plattenfirma und der Name ist Programm.




14. 3. 2020
FAZ
Kampf mit Gespenstern
Augst/Cactus/Göring knöpfen sich
„Lou Reed in Offenbach“ vor.

Kampf mit Gespenstern
Ende der 1970er gab der US-Musiker Lou Reed ein legendäres Konzert in Offenbach –
für den Künstler Oliver Augst ein einschneidendes Erlebnis. Und die Inspiration zu einer gemeinsamen Konzertperformance mit Brezel Göring und Françoise Cactus.

VON EUGEN EL
Es war eine Initiation. Am 6. April 1979 besuchte der 17-jährige Oliver Augst mit seiner damaligen Freundin ein Konzert des US-Musikers Lou Reed in der Offenbacher Stadthalle. „Das war mein erstes Rockkonzert“, erinnert sich Augst, der heute als Komponist, Sänger und Hörspielautor in Ludwigshafen lebt. Reed sei damals auf dem Höhepunkt seiner Karriere gewesen. Erst nach langer Wartezeit sei er auf die Bühne gekommen und habe schon den ersten Song abgebrochen; nach Provokationen aus dem Publikum und ersten
Gewalttätigkeiten habe er die Bühne verlassen. Der Rest ist Offenbacher
Lokalgeschichte: Im Saal brach Tumult aus, Stühle flogen, irgendwann schritt die Polizei ein und nahm Reed fest. Seine Tournee musste unterbrochen werden. „Das war die Schule des Lebens, was Rockmusik sein kann“, sagt Oliver Augst beim Treffen im Mannheimer „Café Prag“ an einem sonnigen Januarvormittag.
Von dem Gewaltausbruch sei er damals, ein Vorstadtkind wie auch Reed, schockiert gewesen. Vor etwa zwei Jahren berichtete Augst den Berliner Musikern Françoise Cactus und Brezel Göring von diesem Jugenderlebnis. Mit beiden, bekannt als Popgruppe Stereo Total, verbindet Augst „eine essenzielle Mixtur von Freundschaft und Zusammenarbeit“, gemeinsam haben sie schon mehrere Hörspielprojekte umgesetzt. Begeistert von der alten Geschichte um den 2013 verstorbenen Musiker, machte sich das Trio an die Arbeit zu „Lou Reed in Offenbach“.
Von Brezel Göring stammen imaginierte Zeitzeugentexte aus der Sicht von Lou
Reeds Mutter, seines Tourmanagers, der Polizei sowie eines Journalisten. Und Françoise Cactus verfasste Songtexte, darunter eine Coverversion von Reeds 1972er-Hit „Perfect Day“. Bereits im Sommer 2018 nahmen die drei eine LP auf und wechselten sich mit allem einfach ab: Gesang, Komposition, Arrangement
oder Instrumentalbegleitung. Die mit zwölf Songs bestückte, beim Label unbreakmyheart erscheinende Platte wird im März im Mousonturm vorgestellt, allerdings nicht als traditionelles Konzert. Augst kündigt eine Performance an, die Musik und Live-Hörspiel miteinander verschränkt, einen Abend in der Art, wie man sich den Auftritt von Reeds früher Rockband The Velvet Underground hätte vorstellen können.
Im Gespräch mit Oliver Augst wird spürbar, wie sehr ihn seine künstlerischen
Vorhaben persönlich angehen und berühren. Als Jugendlicher aus der hessischen Provinz sei Reed für ihn immer ein Idol gewesen. Auch Augsts späteres künstlerisches Werk, das Musik und Medientheater, Performance, Hörspiel und Klanginstallationen umfasst, hat einen autobiografischen Ausgangspunkt:
„Es ist immer die Position des Eigenen im Spiegel mit Deutschland.“ So realisierte Augst 2018 in Zusammenarbeit mit Stereo Total im Mousonturm das Musical und Hörspiel „Kurt Weill jagt Fantômas“, bei dem das Pariser Exil des berühmten Komponisten von 1933 bis 35 im Fokus stand. Ebenfalls im Mousonturm sang er Lieder des deutschen Unterhaltungsmusikers Ernst Neger (1909 – 89) aus Mainz: etwa das „Heile, heile Gänsje“ mit der Zeile „Du warst doch gar ned schuld.“ – „So bin ich auch aufgewachsen“, sagt der 1962 geborene Augst. Die Großeltern behaupteten damals, sie hätten nichts gewusst von dem, was im Nationalsozialismus geschehen sei. „Diese ganze Verlogenheit hat schon in meiner Jugend in mir gebohrt und geglüht“, erinnert er sich. „Man muss das Alte erst mal wie ein Gespenst loswerden.“ Und mitten in diesem Prozess: Lou Reed, halb Gespenst, halb Geisterjäger.




12.3.2020
F.A.Z.
Lou Reed in Offenbach
Bühne
Stell dir vor, deine Liebste schleppt dich zu deinem allerersten Rock-Konzert. Du bist 17. Und der Star verlässt nach einem handfesten Gerangel nach wenigen Minuten die Bühne und wird von der Polizei abgeführt. So geschehen beim legendären Nichtauftritt von Lou Reed am 6. April 1979 in der Offenbacher Stadthalle. Der besagte Teenager dürfte der Musiker und Komponist Oliver Augst gewesen sein. Für seine Performance- und Hörspielreihe „Archiv Deutschland“ hat Augst nun mit Françoise Cactus und Brezel Göring „Lou Reed in Offenbach“ geschaffen: ein Dutzend Songs, ein Feature aus Fiktion und Dichtung über die deutschen siebziger Jahre.
Lou Reed in Offenbach; 13. und 14. März, jeweils 20 Uhr, Frankfurt, Mousonturm
https://edition.faz.net/faz/seite-eins/




13.3.2020
hr2 Kulturcafé
Das Magazin u.a. mit Oliver Augst und Francoise Cactus von Stereo Total über Lou Reed (ca. 17:10 Uhr)
1979 gab Lou Reed ein Konzert in Offenbach, das in einem großen Tumult endete. Stühle flogen durch die Luft und Lou Reed wurde von der Polizei abgeführt. Mit dabei, an diesem unvergesslichen Abend, war der damals 17 Jahre alte Oliver Augst. Heute ist er Musiker und Hörspielautor und hat gemeinsam mit der Berliner Musikgruppe Stereo Totalaus diesem Erlebnis eine Performance gemacht. "Lou Reed in Offenbach" wird am 13.3.2020 in Frankfurt uraufgeführt. Ab 17:10 Uhr erzählen Oliver Augst und Francoise Cactus von Stereo Total in hr2 ihre Version dieses Konzerts.

Gespräch hr2 Kulturcafé
Moderatorin Frau Muth: Oliver Augst und Françoise Cactus sind jetzt zu Gast im hr2 Kulturcafé. Schön, dass Sie da sind, Hallo!
Oliver Augst, erzählen Sie mir von diesem aussergewöhnlichen Konzertabend in der Stadthalle Offenbach, was war da genau los?
Oliver Augst: Ja, die Rekonstruktion ist ja tatsächlich genau unser Thema, man weiß das nicht mehr so ganz genau. Vieles vermischt sich da, und man reimt sich das viele viele Jahre später irgendwie zusammen. Lustigerweise wurde jetzt in der Offenbach Post ein Aufruf gestartet, dass sich doch auch andere Menschen, die bei diesem Konzert waren, mal zu Wort melden sollen, und glücklicherweise hat sich herausgestellt, dass all diese Berichte komplett unterschiedlich ausgefallen sind. Das hat mich dann so ein bisschen entlastet. Denn meine Erinnerung ist die, dass Lou Reed quasi gar nicht gespielt hatte, und der Sterit auf der Bühne gleich zu Beginn ausgebrochen ist. Andere wiederum sagen, es hätte das ganze Konzert gegeben, und erst bei der Zugabe sei es so richtig zur Sache gegangen.. Jedenfalls kann man sagen, dass das für mich eine persönliche Elektroschocktherapie war.. man weiß ja, dass Lou Reed selbst als 17jähriger elektrogeschockt wurde, das haben seine Eltern veranlasst, wegen seiner Homosexualität, um dagegen irgendwie vorzugehen, und für mich, kann man sagen, gab es keine bessere Art und Weise mir zu erklären, was Rock 'n' Roll bedeuten könnte..
Mod: Was war denn der Grund, warum ist er denn überhaupt so ausgeflippt?
OA: Da gibt es eben unterschiedliche Darstellungen. Offensichtlich ist er provoziert worden, aber er hatte auch die Leute endlos warten lassen.. Also, es passierte erst mal gar nichts, und aus dieser angespannten Situation heraus gab es eben Provokationen, es ist eine junge Frau wohl auf die Bühne geklettert, die er dann runtergeschubst hatte, und dann kam sozusagen die Reaktion aus dem Publikum, dann sind die berühmten Stühle geflogen, die es heute übrigens noch gibt. Die wurden aufbewahrt und wir haben die auch als Bühnenbild zur Verfügung gestellt bekommen.
Mod: Hm, wie ist man denn mit dem Publikum umgegangen, es war ja ein ziemlich kurzes Vergnügen Ihrer Erinnerung nach? Gab es da Erklärungen?
OA: Nein, das war ja eher auch das Problem, es gab keinerlei Erklärungen. Das Konzert, muss man sich vorstellen, war auch in fester Hand amerikanischer Soldaten, also GIs, und die hatten so ihre eigenen Codes. Und wenn ich mich da richtig erinnere, sind wir dann auch alle von amerikanischen Soldaten rausgebeten worden. Es wurde quasi alles abgesagt. Aber ich kann mich nicht erinnern, das irgendjemand was erklärt hat ..
Mod: Nun haben Sie beide ein Hörspiel gemacht, zusammen mit Brezel Göring. Françoise Cactus, was verbinden Sie denn mit Lou Reed, was war denn das für eine Persönlichkeit?
Françoise Cactus: Also, Lou Reed hatte einen sehr komplizierten Charakter. Er war sehr egomanisch und sehr eifersüchtig. Zum Beispiel darauf, dass Andy Warhol Nico angeschleppt hatte, damit sie bei the Velvet Underground mitsingt. Eigentlich wollte er das nicht. Er hat sich immer mit allen gestritten, er war sehr arrogant, aber natürlich ist er ein großartiger Künstler und Musiker gewesen, ich liebe seine Musik! In den Texten, die ich für das Stück geschrieben habe, habe ich versucht das Gegenteil von dem zu machen, was er gemacht hat. Die meisten seiner Lieder aus dieser Velvet-Underground-Zeit sind Porträts von Menschen, die es wirklich gegeben hat, wie Transvestiten aus der Factory und so weiter. Es gibt all diese Lieder wie "Caroline says" und so weiter, das sind meistens Porträts von Freunden von ihm, oder von Bekannten, von Leuten aus seiner Umgebung. Und jetzt habe ich den Spieß umgedreht, und jetzt porträtieren die Leute ihn. Also, zum Beispiel Nico porträtiert Lou Reed, oder die Schlagzeugerin Maureen Tucker, so wird das gemacht! Der Spieß wird umgedreht.
Mod: Herr Augst, Ihre Musiker porträtieren Lou Reed, es ist glaube ich auch eine Collage, eine Widmung kann man ja auch sagen.. Nun sind Sie ja damals auf das Konzert gegangen, waren ein großer Fan, haben sich sehr gefreut.. was haben Sie denn für ein Bild von Lou Reed und seinem Charakter?
OA: Das muss man vielleicht ein bisschen anders darstellen. Ich bin damals eigentlich nicht hingegangen, weil ich ein großer Fan von Lou Reed war, sondern weil ich in meine Tanzstundenpartnerin verknallt war ..
Mod: .. und die war ein großer Fan?
OA: .. und die war ein großer Fan! Die kannte all sowas schon, sie war auch ein bisschen älter als ich und hatte schon so richtig den Durchblick und kannte sich aus.. So ist es aber oft, man kommt dann plötzlich in so eine Situation und nimmt erst die Dimension im Nachherein war, auch wenn es nochmal 40 Jahre dauert.. Ich kann nur sagen, für mich war das alles so etwas wie ein Abstraktum, Lou Reed als diese Weltfigur, die plötzlich einbricht in meine doch sehr kleine behütete Welt aus dem Vorort von Offenbach, Offenbach-Bürgel. Und dann ist man dann plötzlich in so etwas hineingeraten, was von da an ..
FC. .. wild! ..
OA: ..ja, ganz andere Koordinaten auftut, die das Leben dann irgendwie weiterbestimmen. Das hat jetzt für mich tatsächlich mit der Person Lou Reed gar nicht so viel zu tun, ausser dass wir uns natürlich einig sind, dass wir ihn als Meilenstein verstehen. Diese Musik, die ganze Kultur damals aus New York, die auch von Andy Warhol geprägt war, das ist ein riesiger Kosmos, der da auf einen jungen Kerl irgendwie niedergeschossen ist.
Mod: Aber das Konzert hat Sie geprägt, und zwar so, dass Sie Ihre Erinnerung in ein Hörspiel verwandelt haben. Wie muss ich mir das vorstellen?
OA: Es gibt da ganz klare Stränge. Das sind jetzt die von Françoise angesprochenen Songtexte, die tatsächlich aus ganz vielen verschiedenen Gesichtspunkten Lou Reed beschreiben, porträtieren. Also, wir erzählen auch etwas über ihn, man kann tatsächlich vieles über Lou Reed erfahren,. Und dann gibt es noch so eine fiktionale Textebene, die sogenannten Zeitzeugen, die dann von Brezel Göring geschrieben wurden. Das sind dann eher die hörspielartigen Anteile. Das sind so Rollen, die wir teilweise zurück konstruieren und als sogenannte O-Töne besetzt haben, sprich das sind dann amerikanische Stimmen, die wir verwenden. Allerdings nennt sich das ganze ja Feature-Fiction, also wir halten uns da nicht immer so streng an die Realität, wenn man so will, und ich sagte ja bereits, die verschwimmt ja auch. Was hält sich da im Gedächtnis, was hat sich tatsächlich ereignet und was nicht? Wir arbeiten sozusagen unseren eigenen Strang heraus.
Mod: Und, Françoise Cactus, wie kling das musikalisch?
FC: Super! Wir sind schwer entäuscht, dass wir heute ohne Publikum spielen müssen. Wirklich, wir haben auch ganz toll geprobt, und so gut haben wir selten gespielt! Aber hoffentlich wird alles nachgeholt. Ja, das klingt super. Die Musik ist ziemlich abgefahren, manche Stücke sind so klassischer Rock, manche Stücke sind vollkommen abstrakt.
Mod: Zu Ihrem Hörspiel ist diese Woche auch eine Langspielplatte erschienen auf dem Offenbacher Label unbreakmyheart, was ist denn darauf zu hören?
OA: Die Geschichte zu dem ganzen Projekt fing eigentlich mit dieser Langspielplatte an. Auf der Platte sind eben diese Songs zu hören, geschrieben von Françoise Cactus mit der Musik von Brezel Göring und von mir. Damit fing alles an. Wir haben das einfach gemacht! Haben uns 10 Tage in Südfrankreich zurückgezogen und haben da gebastelt, und wir kamen mit einem fertigen Album aus dieser Phase heraus. Und dann haben wir erst gedacht, so, jetzt müsste es eigentlich noch irgendwie weiter gehen. Dann ist dieser Live-Abend entwickelt worden, dann ist auch die Idee geboren worden, dass wir das auch als Hörspiel weiterverarbeiten wollen.
Mod: Und ich habe gehört, es gibt auch, wenn man so will, eine musikalische Würdigung an Offenbach?
OA: Klar!
Mod: Offenbach kommt drin vor?
FC: Ja, mehrfach! Es gibt sehr viel über Offenbach. Also diese Arroganz der amerikanischen Musiker, wenn sie in einem village somewhere sind, ja das kommt rüber. Aber ja,  es gibt ganz nette Sachen über Offenbach und auch über Frankfurt. Frankfurt? The banks! Frankfurt? The sausage! Die Amerikaner können nie irgendwas aussprechen, naja, ich ja auch nicht, aber zum Beispiel, wenn ich in Amerika bin, sagen sie mir immer, oh, do you know Rommstoin? Rammstein! Oder Einsturzende Newbooten? Oder solche Sachen, dann fragt man sich, qu'est-ce que c'est? Voilà! Und deswegen, sagen die Amerikaner in unserem Stück immer o o o Offenbatsch..
Mod: Lou Reed in Offenbach, Françoise Cactus und Oliver Augst haben zusammen mit Brezel Göring eine Collage aus Erinnerungen, Assoziationen und halbfiktionalen Augenzeugenberichten und selbst performten Songs kreiert. Ganz herzlichen Dank für Ihren Besuch!




10.3.2020
Journal FFM Kultur
Lou Reed in Offenbach
„Alle Musiker haben Charakterverfehlungen"

Beim ersten Rockkonzert seines Lebens wurde der 17-jährige Oliver Augst Zeuge eines Skandals. 40 Jahre später erinnert das Performance-Konzert „Lou Reed in Offenbach“ daran. Premiere ist am 13. März im Mousonturm.
„Archiv Deutschland“ ist ein Langzeitprojekt von Oliver Augst überschrieben, für das sich der Sänger, Komponist, Produzent, Kurator und Hörspielautor wie in den meisten seiner Arbeiten immer wieder Persönlichkeiten und Phänomenen annimmt, die für ihn eine – wenn auch höchst unterschiedliche – geschichtliche Relevanz haben. Hanns Eisler, Rainer Werner Fassbinder, Matthias Beltz, Kurt Weill, Hugo Ball gehörten dazu. Mit unterschiedlichen Partnern und Partnerinnen bewegt sich Augst dabei im experimentellen Grenzbereich von Musik, Hörspiel, Literatur und Theater. Immer wieder arbeitete der Konzeptkünstler, der lange in Frankfurt lebte, mit Brezel Göring und Françoise Cactus von Stereo Total. Zuletzt sah man sie 2017 im Mousonturm in „Der Ernst Neger Komplex“.

„Wir sind miteinander in ständigem Kontakt und Austausch und tüfteln eigentlich permanent an verschiedenen Ideen und Projekten gleichzeitig herum“, erklärt Augst. „Ein wichtiger Entstehungsort unserer Projekte ist zum Beispiel die Küche von Françoise und Brezel in ihrer Wohnung in Berlin-Kreuzberg. Die Küche – wie so oft – der Ort, wo gebrodelt und gebacken wird.“ Da fiel dann irgendwann der Name Lou Reed. Von „Ruckizucki“ zum „Walk On The Wild Side“. „Den Anstoß hat Oliver gegeben, der war ja damals Gast bei jenem katastrophalen Konzert in Offenbach. Als er davon erzählt hat, war uns sofort klar: das ist der Stoff für ein Theaterstück“, erinnert sich Brezel Göring. Augst gibt unumwunden zu: „Ich hatte damals eigentlich keine Ahnung wer Lou Reed ist, anders als meine Tanzstundenpartnerin, die schon alles drauf hatte und in die ich ziemlich verknallt war. Sie meinte, dass man da unbedingt gemeinsam hingehen sollte. Für mich war das schon von daher gesehen irre aufregend, aber mehr dazu: im Stück.“

Als mir Augst ganz aufgeregt das Projekt vorstellte, vom Eklat beim abgebrochenen Konzert, dem Ärger zwischen Musiker und Publikum, musste ich lachen: „Erzähl‘ mir mehr davon, ich war da auch dabei.“ Reed hatte an diesem 6. April 1979, vollkommen paranoid, eine Frau, die auf die Bühne geklettert war, um zwischen ihm und den pöbelnden US-Soldaten vermitteln wollte, kurzerhand von der Bühne gekickt. Da flog Mobiliar Richtung Reed und während alle Kollegen mit ihren Bildern zerstörter Stuhlberge in die Redaktionen hasteten, um die Samstagsausgabe noch zu bestücken, wollte ich sehen, ob Statements zu bekommen wären. Plötzlich standen Polizisten im Saal. „Wir haben hier eine Anzeige. Wo ist denn der Künstler – wir müssen ihn verhaften?“ So kommt man zu exklusivem Bildmaterial, siehe oben rechts, und Veröffentlichungen sogar im Stern.

Ohne, dass Anfang 2018 schon eine „Verwertungsidee im Raum stand“, schrieb Cactus, angefixt von der Geschichte, spontan erste Texte und Göring entwickelte „Zeitzeugenberichte“. Diese „Urenergie“ der Berliner griff Augst auf. „Ich habe spontan vorgeschlagen, noch im gleichen Sommer das Haus meiner Frau, quasi unser Feriendomizil im Südwesten Frankreichs, zur Verfügung zu stellen, um dort an der musikalischen Umsetzung und den Tonaufnahmen zu arbeiten“, berichtet Augst. „Wir sind mit einem Kleinbus vollgeladen mit Musikinstrumenten und dem ganzen Studioequipment runtergefahren, haben das Haus zu einem Proberaum und Tonstudio umfunktioniert, und nach zehn Tagen war alles weitgehend im Kasten.“ In einer „Verbindung von Arbeit, Freundschaft und schönem Leben“ wurden im halbverwilderten Garten Album (erscheint als Vinyl auf dem Offenbacher Label unbreakmyheart), Hörspiel und die Bühnenversion, die am 13. März Premiere im Mousonturm hat, erarbeitet. Fakten oder Spekulationen? Realität versus Fantasie? Feature-Fiktion! „Wir haben in gewisser Weise Lou Reed erfunden. Er selbst kommt kaum zu Wort, aber alle sprechen über ihn. So entsteht ein hochspekulatives Portrait“, kommentiert Dramaturgin Charlotte Arens.

„Alle Musiker haben – unabhängig von der Musik, die natürlich bei jedem anders ist – dieselben Charakterverfehlungen. Wir brauchten nur unsere eigenen Erfahrungen und widersprüchlichen Gefühle etwas überzeichnet wiederzugeben und das Stück war fertig“, verdeutlicht Göring. „Die Figuren sind Personen, wie sie auch in unserem Leben vorkommen: der frustrierte Begleitmusiker, der entfremdete Partner, der zuhause ein völlig anderes Leben führt, die neurotische Mutter, die sich etwas anderes von ihrem Kind erhofft hatte. In Lou Reeds Biografie gab es diese Figuren, und sie waren so extrem, dass es filmreif ist.“ Und Augst ergänzt: „Lou Reed hat in seinen Songs oft über die Menschen seines Umfelds gesungen, sie zum Thema seiner Lieder gemacht. Wir drehen den Spieß jetzt einfach um, und lassen diese Leute einmal retrospektiv zu Wort kommen.“

Lou Reed in Offenbach, Ffm, Mousonturm, 13.+14.3., 20 Uhr/15.3. 18 Uhr, Eintritt: 19,–




7.3.2020
Danielas Ausgehtipp 2020 Vol. 08 (6.-13.3.2020)
Lou Reed in Offenbach, Performance – Konzert/ Augst/Cactus/Göring
Das ist eine spektakuläre Geschichte – im wahrsten Sinne des Wortes ‚Geschichte’ - denn es hat stattgefunden: das Konzert von Lou Reed in der Offenbacher Stadthalle am 6. April 1979. Das Ganze endete allerdings in einem Desaster, weshalb die Schlagzeile einer Offenbach Post lautete: „Stadthalle in Trümmer gelegt! Konzertsaal wurde zum Hexenkessel – Krawall forderte über 30.000 Mark Schaden.“
Ralph Baller, ein Augenzeuge aus Offenbach, der als Konzertbesucher dabei war, erinnert sich: „Die Stimmung war von Anfang an negativ aufgeladen, da Lou Reed erst mit circa 45-minütiger Verspätung auf die Bühne kam. Dann ging das Konzert los mit einer krachenden Version von „Sweet Jane“, was die Fans zunächst versöhnte. Doch schon nach dem zweiten oder dritten Lied kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen Reed und lautstarken Fans, in deren Folge die Aggressionen auf Reed (...) weiter stiegen. Die vielfach alkoholisierten Fans ließen ihrem Unmut freien Lauf. Daraufhin unterbrach Reed das Konzert und forderte, dass diese Personen den Saal verlassen müssten. (...) Dadurch eskalierten die Aggressionen weiter und Reed verließ (...) die Bühne. Nun tobte der Saal vor Wut. Ein Sprecher teilte (...) mit, dass Lou Reed in einer sehr angespannten psychischen Verfassung sei, man wolle ihn aber überreden, das Konzert fortzusetzen. Nach zehn Minuten kehrte er auf die Bühne zurück und führte das Konzert mit Songs aus dem Berlin-Album zunächst fort. Als jedoch ein Bierbecher oder ein Feuerzeug auf die Bühne geworfen wurde, stoppte er (...) die Performance. Im Tumult (...) sprang eine junge Frau auf die Bühne und rannte direkt auf Reed zu, der sie mit einem Reflex zu Boden ringen konnte. Die Situation wurde immer gefährlicher und Reed und seine Band verließen erneut die Bühne. Die Fans harrten noch circa 30 Minuten (...) aus, bis die Durchsage kam, das Konzert werde nicht fortgesetzt. Daraufhin kam es zu Sachbeschädigungen. Einige hundert Stühle wurden in Richtung Bühne geschmissen. Beim Verlassen der Halle konnte ich noch den Polizeiwagen sehen, mit dem Reed abtransportiert wurde. Am nächsten Morgen erfuhr ich aus der Offenbach-Post, dass Reed eine Nacht im Offenbacher Gefängnis verbracht hatte.“
Eine irre Story und super spannend, dass vor dem Hintergrund dieses Konzertes in Offenbach diese ‚Geschichte’ ihren Platz auf der Bühne im Großen Saal des Mousonturm findet: „Ein 17-Jähriger wird von seiner Flamme auf sein erstes Rock-Konzert in die Stadthalle Offenbach geschleppt. Nichtsahnend. Who the heck is Lou Reed? Die Frage bleibt. Denn was folgt, ist ein Konzert, das nie stattfindet, ein Star, der mit seinem „Auftritt“ die deutsche Provinz um DAS Konzert ihres Lebens bringt. Entlang der Skandal-Performance Reeds spinnt Musik-Universalist Oliver Augst mit den Pop-Eklektizisten Françoise Cactus und Brezel Göring von Stereo Total eine musikalische Feature-Fiction-Performance über Lou Reed. 12 Songs, Neu-Kompositionen, Interpretationen und ein Cover, die den Star aus Sicht seiner Wegbegleiter und anderer Zeitzeugen beschreiben. So entsteht, als Teil von Augsts „Archiv Deutschland“, ein vielschichtiges Porträt – des Rockstars Reed mitsamt der New Yorker Kunst- und Musikszene und der parallelen Lebenswelten in der bundesdeutschen Provinz der Siebziger.“
Die Offenbacher mögen zunächst verzeihen, dass sie in obiger Beschreibung als Provinz(ler) gelabelt werden (war ja auch schon vor 41 (!) Jahren...) J
Und gleichsam sollten nun weder die Offenbacher noch die Frankfurter ‚Lou Reed’ auf der Bühne des Frankfurter Mousonturms verpassen – denn wie man sieht – manches kulturelle Ereignis schreibt seine eigene ‚Geschichte’.




27.2.2020
JOURNAL FRANKFURT

Lou Reed neu erfunden
Beim ersten Rockkonzert seines Lebens wurde der 17-jährige Oliver Augst Zeuge eines Skandals. 40 Jahre später erinnert das Performance- Konzert „Lou Reed in Offenbach“ daran.
„Archiv Deutschland“ ist ein Langzeitprojekt von Oliver Augst überschrieben, für das sich der Sänger, Komponist, Produzent, Kurator und Hörspielautor wie in den meisten seiner Arbeiten immer wieder Persönlichkeiten und Phänomenen annimmt, die für ihn eine – wenn auch höchst unterschiedliche – geschichtliche Relevanz haben. Hanns Eisler, Rainer Werner Fassbinder, Matthias Beltz, Kurt Weill, Hugo Ball gehörten dazu. Mit unterschiedlichen Partnern und Partnerinnen bewegt sich Augst dabei im experimentellen Grenzbereich von Musik, Hörspiel, Literatur und Theater. Immer wieder arbeitete der Konzeptkünstler, der lange in Frankfurt lebte, mit Brezel Göring und Françoise Cactus von Stereo Total. Zuletzt sah man sie 2017 im Mousonturm in „Der Ernst Neger Komplex“. „Wir sind miteinander in ständigem Kontakt und Austausch und tüfteln eigentlich permanent an verschiedenen Ideen und Projekten gleichzeitig herum“, erklärt Augst. „Ein wichtiger Entstehungsort unserer Projekte ist zum Beispiel die Küche von Françoise und Brezel in ihrer Wohnung in Berlin-Kreuzberg. Die Küche – wie so oft – der Ort, wo gebrodelt und gebacken wird.“ Da fiel dann irgendwann der Name Lou Reed. Von „Ruckizucki“ zum „Walk On The Wild Side“. „Den Anstoß hat Oliver gegeben, der war ja damals Gast bei jenem katastrophalen Konzert in Offenbach.
Als er davon erzählt hat, war uns sofort klar: das ist der Stoff für ein Theaterstück“, erinnert sich Brezel Göring. Augst gibt unumwunden zu: „Ich hatte damals eigentlich keine Ahnung wer Lou Reed ist, anders als meine Tanzstundenpartnerin, die schon alles drauf hatte und in die ich ziemlich verknallt war. Sie meinte, dass man da unbedingt gemeinsam hingehen sollte. Für mich war das schon von daher gesehen irre aufregend, aber mehr dazu: im Stück.“
Als mir Augst ganz aufgeregt das Projekt vorstellte, vom Eklat beim abgebrochenen Konzert, dem Ärger zwischen Musiker und Publikum, musste ich lachen: „Erzähl’ mir mehr davon, ich war da auch dabei.“ Reed hatte an diesem 6. April 1979, vollkommen paranoid, eine Frau, die auf die Bühne geklettert war, und zwischen ihm und den pöbelnden US-Soldaten vermitteln wollte, kurzerhand von der Bühne gekickt. Da flog Mobiliar Richtung Reed und während alle Kollegen mit ihren Bildern zerstörter Stuhlberge in die Redaktionen hasteten, um die Samstagsausgabe noch zu bestücken, wollte ich sehen, ob Statements zu bekommen wären. Plötzlich standen Polizisten im Saal. „Wir haben hier eine Anzeige. Wo ist denn der Künstler – wir müssen ihn verhaften.“ So kommt man zu exklusivem Bildmaterial, siehe oben rechts, und Veröffentlichungen sogar im Stern.
Ohne, dass Anfang 2018 schon eine „Verwertungsidee im Raum stand“, schrieb Cactus, angefixt von der Geschichte, spontan erste Texte und Göring entwickelte „Zeitzeugenberichte“. Diese „Urenergie“ der Berliner griff Augst auf. „Ich habe spontan vorgeschlagen, noch im gleichen Sommer das Haus meiner Frau, quasi unser Feriendomizil im Südwesten Frankreichs, zur Verfügung zu stellen, um dort an der musikalischen Umsetzung und den Tonaufnahmen zu arbeiten“, berichtet Augst. „Wir sind mit einem Kleinbus vollgeladen mit Musikinstrumenten und dem ganzen Studioequipment runtergefahren, haben das Haus zu einem Proberaum und Tonstudio umfunktioniert, und nach zehn Tagen war alles weitgehend im Kasten.“ In einer „Verbindung von Arbeit, Freundschaft und schönem Leben“ wurden im halbverwilderten Garten Album (erscheint als Vinyl auf
dem Offenbacher Label unbreakmyheart), Hörspiel und die Bühnenversion, die am 13. März Premiere im Mousonturm hat, erarbeitet.
Fakten oder Spekulationen? Realität versus Fantasie? Feature- Fiktion! „Wir haben in gewisser Weise Lou Reed erfunden. Er selbst kommt kaum zu Wort, aber alle sprechen über ihn. So entsteht ein hochspekulatives Portrait“, kommentiert Dramaturgin Charlotte Arens. Alle Musiker haben – unabhängig von der Musik, die natürlich bei jedem anders ist – dieselben Charakterverfehlungen. Wir brauchten nur unsere eigenen Erfahrungen und widersprüchlichen Gefühle etwas überzeichnet wiederzugeben und das Stück war fertig“, verdeutlicht Göring. „Die Figuren sind Personen, wie sie auch in unserem Leben vorkommen: der frustrierte Begleitmusiker, der entfremdete Partner, der zu Hause ein völlig anderes Leben führt, die neurotische Mutter, die sich etwas anderes von ihrem Kind erhofft hatte. In Lou Reeds Biografie gab es diese Figuren, und sie waren so extrem, dass es filmreif ist.“ Und Augst ergänzt: „Lou Reed hat in seinen Songs oft über die Menschen seines Umfelds gesungen, sie zum Thema seiner Lieder gemacht. Wir drehen den Spieß jetzt einfach um, und lassen diese Leute einmal retrospektiv zu Wort kommen.“
Lou Reed in Offenbach, Ffm, Mousonturm,
13.+14.3., 20 Uhr/15.3. 18 Uhr, Eintritt: 19,–




19.2.2020
MAIN ECHO
Charakterverfehlungen überzeichnet wiedergeben
Konzert- Performance Erinnerungen an Lou Reed in Offenbach
Von unserem Mitarbeiter DETLEF KINSLER
FRANKFURT . 2017 brachte Sänger, Komponist, Produzent, Kurator und Hörspielautor Oliver Augst mit den Berliner Eklektikern Brezel Göring und Françoise Cactus von Stereo Total »Der Ernst Neger Komplex“ auf die Bühne. Fastnachtsschlager im Jazz-Bigband-Sound kamen da als herrlich ironisch gebrochene Versionen von »Heile Heile Gänsje« und »Humba Humba Tätärä« zu Gehör. Jetzt lädt das Dreamteam wieder in den Mousonturm nach Frankfurt ein. Am 13. März feiert »Lou Reed in Offenbach« Premiere. Ganz persönliche Erinnerungen von Augst an einem Konzertbesuch im April 1979 inspirierten die Drei zu einem Fiction-Feature, das jetzt in einer Platten-Produktion auf Vinyl, in einer Hörspielfassung und in der Bühnenversion seine Veröffentlichung erfährt. Nach einem heftigen Disput zwischen US-Soldaten und Lou Reed, wollte der das Konzert abbrechen. Der Versuch einer jungen Frau, die auf die Bühne kletterte, um zu vermitteln, wertete der Musiker als Angriff und beförderte sie unsanft von der Bühne. Darauf flogen Stühle auf die Bühne. Als das Publikum die Stadthalle verlassen hatte, kamen Polizisten, denen eine Anzeige vorlag, um den Künstler zu verhaften. Reeds landetet nach seinem »Walk On The Wild Side« im Polizeirevier in der Berliner Straße. Ein Stück Musikgeschichte, zu dem Oliver Augst, Brezel Göring und Dramaturgin Charlotte Arens ihre Interpretationen beitrugen und im Interview Stellung beziehen.
Main-Echo Gespräch

Wie wurden Sie Zeitzeuge des Skandal-Konzertes von Lou Reed in Offenbach?


Oliver Augst: Ich hatte damals eigentlich keine Ahnung wer Lou Reed ist, ganz vage vielleicht, aber darum ging es auch nicht. Ganz anders meine Tanzstundenpartnerin, die schon alles drauf hatte und in die ich ziemlich verknallt war. Sie meinte, dass man da unbedingt gemeinsam hingehen solle. Für mich war das schon von daher gesehen irre aufregend, aber dazu später mehr: im Stück.

Wie kam es dazu, dass daraus eine Langspielplatte, ein Hörspiel und ein Bühnenstück wurden?


Brezel Göring: Den Anstoß hat Oliver gegeben, der war ja damals Gast bei jenem katastrophalen Konzert in Offenbach. Als er uns davon erzählt hat, war uns sofort klar: das ist der Stoff für ein Theaterstück. Wir selbst wussten ja bis dahin nicht mal wer Lou Reed ist. (lacht)

Augst: Wir sind miteinander in ständigem Kontakt und Austausch und tüfteln eigentlich permanent an verschiedenen Ideen und Projekten gleichzeitig herum. Ein wichtiger Entstehungsort unserer Projekte ist zum Beispiel die Küche von Françoise und Brezel in ihrer Wohnung in Berlin-Kreuzberg. Die Küche – wie so oft – der Ort, wo gebrodelt und gebacken wird.

Charlotte Arens: In der persönlichen Erinnerung an dieses Konzert steckt allein so viel drin an Kuriosität, Witz, persönlichem Bezug. Sie ist auch ein Verweis auf die deutsche Nachkriegsgeschichte und auf präpotente Gefühls- und Lebensrealitäten. Schnell war klar daraus muss man etwas machen.

Und die Umsetzung folgte dann unmittelbar?


Augst: Ja, Brezel und Françoise waren sofort begeistert. Kaum eine Woche später, das war alles Anfang 2018, schickte mir Françoise die Songtexte, die sie spontan dazu geschrieben hatte, sowie die Texte zu den Zeitzeugen von Brezel, bevor noch irgend eine Verwertungsidee im Raum stand. Ich fand das klasse, diese Urenergie, einfach mit einem Projekt zu beginnen, Material herzustellen und erstmal komplett darauf zu pfeifen, ob und wie das jemals umgesetzt würde. Dann war ich am Zug und habe vorgeschlagen, noch im gleichen Sommer das Haus meiner Frau, quasi unser Feriendomizil im Südwesten Frankreichs, zur Verfügung zu stellen, um dort an der musikalischen Umsetzung und den Tonaufnahmen zu arbeiten. Brezel und ich schrieben die Musik, wir sind mit einem Kleinbus vollgeladen mit Musikinstrumenten und dem ganzen Studioequipment runtergefahren, haben das Haus zu einem Proberaum und Tonstudio umfunktioniert, und nach zehn Tagen war alles weitgehend im Kasten.

Arens: Das macht das Album auch aus: ein ungefilterter, sehr unmittelbarer und intuitiver Umgang mit dem Material. Diese Herangehensweise wollen wir auch auf die Umsetzung auf die Bühne und das Hörspiel übertragen.

Als Genre wird der Begriff Fiction Feature angeboten. Wieviel Realität steckt da drin, wieviel Erfindung? Wurde das Erinnerte einfach
»nur« weiter gesponnen?

Göring: Alle Musiker haben – unabhängig von der Musik, die natürlich bei jedem anders ist – dieselben Charakterverfehlungen. Wir brauchten nur unsere eigenen Erfahrungen und widersprüchlichen Gefühle etwas überzeichnet wiederzugeben und das Stück war fertig.
Augst: Es geht um die Perspektive eines deutschen Kleinstädters, gespiegelt im unerreichbaren amerikanischen Idol. Und dann der Aberwitz, dass die »Begegnung" natürlich ausbleibt, was ja dann symbolisch für die Wirklichkeit ist, in der sich unser Kleinstädter nun mal befindet und der sich erst mal mit der Normalo-Identität herumschlagen muss. Es geht um die Identität des Nachkriegsgeborenen, in einem Land mit ständigem Fokus auf Amerika, in das Sehnsuchtsjahrzehnt von Love & Peace etc.. übrigens zu einer Zeit, da Deutschland ja quasi noch von amerikanischen Soldaten besetzt war, gerade hier, in der Gegend um Frankfurt, ist man ja mit der unmittelbaren Präsenz der US-Army und am Wochenende mit besoffenen GIs in den Clubs und Regionalzügen aufgewachsen.

Welche Figuren haben Sie denn für
»Lou Reed in Offenbach«erfunden?

Arens: Vor allem haben wir in gewisser Weise Lou Reed erfunden. Er selbst kommt kaum zu Wort, aber alle sprechen über ihn. So entsteht ein hochspekulatives Portrait.

Göring: Die Figuren sind Personen, wie sie auch in unserem Leben vorkommen: der frustrierte Begleitmusiker aus der zweiten Reihe, der entfremdete Partner, der zuhause ein völlig anderes Leben führt, die neurotische Mutter, die sich etwas anderes von ihrem Kind erhofft hatte. In Lou Reeds Biographie gab es diese Figuren, und sie waren so extrem, dass es filmreif ist.

Augst: Und Brezel hat ihnen die verschiedenen O-Töne angedichtet. Lou Reed sang in seinen Songs oft über die Menschen in seinem Umfeld, hat sie zum Thema seiner Lieder gemacht. Wir drehen den Spieß jetzt einfach um, und lassen diese Leute einmal retrospektiv zu Wort kommen. Reeds Songperspektiven werden also dekonstruiert und zurecht gerückt, Szenarien heraufbeschworen, im Probenraum, Backstage, Wohnzimmer, in der Nervenklinik. Im einzelnen sind es der siebzehnjährige Konzertbesucher, die Tourmanagerin Sylvia, Reeds Mama, ein nicht näher definierter Mitmusiker, Nico, Velvet-Underground-Sängerin und Andy-Warhol-Muse, die Drag Queen Rachel, eine weitere Lebensgefährtin Reeds, Maureen Tucker, Velvet-Underground-Schlagzeugerin, verschiedene weitere Konzertbesucher des besagten Stadthallenkonzerts in Offenbach, ein damaliger Einsatz-Polizist sowie ein Frankfurter Musik-Journalist, der in der gleichen Nacht das legendäre Foto von Lou Reed in Handschellen schoss.




5.2.2020
KULTURFREAK.DE
LOU REED IN OFFENBACH / Augst-Cactus-Göring / Uraufführung 13. März Mousonturm, Frankfurt

Ein performtes Konzeptalbum, eine Feature-Fiction-Performance, Hommage u Fabulation über einen Star und das eigene provinzielle Fansein. Ausgangsszenario: Ein 17ähriger wird von seiner Flamme auf sein erstes Rock-Konzert in die Stadthalle Offenbach geschleppt. Nichtsahnend. Who the heck is Lou Reed?

Die Frage bleibt. Denn was folgt ist ein Konzert, das nie stattfindet. Mr. Reed bricht nach endloser Warterei und wenigen Minuten on Stage ab, verlässt nach kurzen Provokationen und Gewaltausbruch die Bühne. Tumult im Saal, Licht an, Stühle fliegen, Instrumente werden hastig weggeräumt, jemand klettert unter Johlen der Masse auf einen der PA-Türme und beginnt, die Boxen auf die Bühne krachen zu lassen („Der erste gute Sound des Abends!“ O-Ton Konzertbesucher).

Ein Star der mit seinem „Auftritt“ die deutsche Provinzcrowd um DAS Konzert ihres Lebens bringt. Clichés and downsides of rock business in a nutshell.

Um diese Skandal-Performance Reeds spinnt Oliver Augst mit den Pop-Eklektizisten Françoise Cactus und Brezel Göring von Stereo Total eine musikalische Feature Fiction Performance über Lou Reed. 12 Songs, Neu-Kompositionen, Interpretationen und eine Coverversion, die zum einen den Star aus Sicht seiner Wegbegleiter und anderer Zeitzeugen portraitieren und kommentieren, zum anderen eine starke subjektive Sicht aus der nachkriegsdeutschen Provinz auf die vermeintlich große weite Welt darstellt.

Als Teil von Augsts fortlaufender Arbeit an einem «Archiv Deutschland », richtet sich mit dem Stück der Blick von der nachkriegsdeutschen Provinz auf die ferne, medial bekannte Welt. Es entsteht ein vielschichtiges Portrait – nicht nur des Rockstars Reed, sondern der parallelen Lebenswelten dieser Zeit, den Einfluss der amerikanischen Kultur, die Doppelmoral, ein Konzeptwerk mit Performance, Album und Hörspiel, das mit dem Genre der Feature Fiction spielt. Mal hemmungslos mal virtuos wird sich an allem bedient; dem musikalischen und biografischen Material, fiktiven wie faktischen Texten, den Instrumenten, den einfachsten Theatermitteln.

Die Show ist zum einen Aneignung, Zitat, Stilisierung zweier Genres – Rockmusik und Theater und zum anderen eine originäre Konzertperformance der Persönlichkeiten Augst, Cactus und Göring.




4.2.2020
Journal Frankfurt

Interview mit Detlef Kinsler:

Von Dir, Oliver, wäre noch mal ein privates Sätzchen cool, was Dich tatsächlich in die Stadthalle getrieben hat. Der Ruf (und Ruhm) von Lou Reedwar es ja nicht?

Ich hatte damals eigentlich keine Ahnung wer Lou Reed ist, ganz vage vielleicht, aber darum ging es auch nicht. Anders meine Tanzstundenpartnerin, die schon alles drauf hatte und in die ich ziemlich verknallt war, und die meinte, dass man da unbedingt gemeinsam hingehen sollte. Für mich war das schon von daher gesehen irre aufregend, aber mehr dazu: im Stück!

Wie kamt ihr, Du, Brezel und Françoise, auf Lou Reed, wie fand da der Austausch statt, der zum Stück geführt hat?

Brezel Göring: Den Anstoß hat Oliver gegeben, der war ja damals Gast bei jenem katastrophalen Konzert in Offenbach. Als er uns davon erzählt hat, war uns sofort klar: das ist der Stoff für ein Theaterstück. Wir selbst wussten ja bis dahin nicht mal wer Lou Reed ist.

Oliver Augst: Wir sind miteinander in ständigem Kontakt und Austausch und tüfteln eigentlich permanent an verschiedenen Ideen und Projekten gleichzeitig herum. Ein wichtiger Entstehungsort unserer Projekte ist zum Beispiel die Küche von Françoise und Brezel in ihrer Wohnung in Berlin Kreuzberg. Die Küche - wie so oft - der Ort, wo gebrodelt und gebacken wird.
Also, irgendwann kam ich mit der Geschichte von meiner ersten "Begegnung" mit Lou Reed an - damals in der Offenbacher Stadthalle übrigens nicht das einzige Mal in meinem Leben.

Charlotte Arens: In der persönlichen Erinnerung an dieses Konzert steckt allein so viel drin an Kuriosität, Witz, Persönlichen Bezug, ein Verweis auf die deutsche Nachkriegsgeschichte und auf präpotente Gefühls- und Lebensrealitäten.
Schnell war klar „da muss man was mit machen“. Die Umsetzung folgte unmittelbar.

OA: Ja, Brezel und Françoise waren sofort begeistert. Kaum eine Woche später, das war alles Anfang 2018, schickte mir Françoise die Songtexte, die sie spontan dazu geschrieben hatte, sowie die Texte zu den Zeitzeugen von Brezel, bevor noch irgend eine Verwertungsidee im Raum stand! Ich fand das klasse, diese Urenergie, einfach mit einem Projekt zu beginnen, Material herzustellen und erstmal komplett darauf zu pfeifen, ob und wie das jemals umgesetzt würde. Dann war ich am Zug und habe vorgeschlagen, noch im gleichen Sommer das Haus meiner Frau, quasi unser Feriendomizil im Südwesten Frankreichs, zur Verfügung zu stellen, um dort an der musikalischen Umsetzung und den Tonaufnahmen zu arbeiten. Brezel und ich schrieben die Musik, wir sind mit einem Kleinbus vollgeladen mit Musikinstrumenten und dem ganzen Studioequipment runtergefahren, haben das Haus zu einem Proberaum und Tonstudio umfunktioniert, und nach 10 Tagen war alles weitgehend im Kasten.

CA: Das Album war also da, bevor an eine Umsetzung auf der Bühne, oder an ein Hörspiel gedacht wurde und auch lange bevor Förderung, Produktionspartner und Label gefunden waren.

OA: Gleichzeitig haben wir während der Produktion dort schön im halbverwilderten Garten herumgelungert, gekocht, Ausflüge gemacht, waren abends am See schwimmen, leckere Weine und andere regionale kulinarische Köstlichkeiten inklusive. Wir haben uns in der Thematik, alle auf verschiedene Weise, wiedergefunden und vollkommen gleichberechtigt individuell verwirklicht. Dass das so in der "ganzheitlichen" Form als Verbindung von Arbeit, Freundschaft und schönem Leben funktioniert hat, ist ein großes und seltenes Glück und auch so etwas wie ein langgehegter Jugendtraum von mir gewesen.

CA: Das macht das Album auch aus: ein ungefilterter, sehr unmittelbarer und intuitiver Umgang mit dem Material. Diese Herangehensweise wollen wir auch auf die Umsetzung auf die Bühne und das Hörspiel übertragen.

Das Genre:  Fiction Feature – wieviel Realität, wieviel Erfindung. Wie passierte das? In Free floating associations; das Erinnerte einfach "nur" weiter gesponnen?

BG: Alle Musiker haben - unabhängig von der Musik, die natürlich bei jedem anders ist - dieselben Charakterverfehlungen. Wir brauchten nur unsere eigenen Erfahrungen und widersprüchlichen Gefühle etwas überzeichnet wiederzugeben und das Stück war fertig.

OA: Es geht um die Perspektive eines deutschen Kleinstädters, gespiegelt im unerreichbaren amerikanischen Idol - und dann der Aberwitz, dass die "Begegnung" natürlich ausbleibt, was ja dann symbolisch für die Wirklichkeit ist, in der sich unser Kleinstädter nun mal befindet, …und der erst mal auf seine eigenen Beine kommen beziehungsweise sich mit der Normalo-Identität herumschlagen muss..., es geht um die Identität des Nachkriegsgeborenen, in einem Land mit ständigem Fokus auf Amerika, in das Sehnsuchtsjahrzehnt von Love and Peace etc.. übrigens zu einer Zeit, da Deutschland ja quasi noch von amerikanischen Soldaten besetzt war, gerade hier, in der Gegend um Frankfurt, ist man ja mit der unmittelbaren Präsenz der US-Army und am Wochenende mit besoffenen GIs in den Clubs und Regionalzügen aufgewachsen.
Die Geschichte um den 17jährigen auf seinem ersten echten Rockkonzert dient letztlich dazu, an den Rändern und zwischen den Zeilen ein Seelen-Porträt des Künstlers Lou Reed zu fabulieren. Als homosexueller Amerikaner, Superstar, Projektionsfläche, angsteinflößende Überfigur: the Animal of Rock! Das "Konzert" war dann für mich ein heilsamer Schock. Es gab nie eine bessere Art und Weise, mir zu erklären, was Rock 'n' Roll bedeuten könnte.
Aber wie funktioniert nun die Erinnerung daran? .Natürlich immer sehr subjektiv und, wie man weiß, unscharf ..
In der Offenbach Post wurde aufgrund unseres Projekts inzwischen die Geschichte von dem sogenannten Skandalkonzert aufgegriffen und ein Aufruf gestartet an Leute, die damals dabei waren, ihre Erinnerungen mitzuteilen. Das Ergebnis ist erstaunlich. Jeder erinnert sich vor allem, wie ich, an die Bilder der zertrümmerten Bühne, an die Stühle, die durch den Saal geflogen sind und so weiter, den Ablauf des Ganzen hat aber jeder irgendwie ganz anders nacherzählt. Von der Fassung, dass das Konzert eigentlich gar nicht richtig stattfand bzw gleich am Anfang abgebrochen wurde - so habe auch ich es abgespeichert - , bis dazu, dass die Randale erst bei der Zugabe ausgebrochen ist. Aber vielleicht ist das ja alles auch gar nicht so wichtig.. hier setzen wir dann mit unserer Feature-Fiktion an, den Zeitzeugen einfach unsere Versionen in den Mund zu legen.

Welche Figuren habt ihr dafür erfunden?


CA: Vor allem haben wir in gewisser Weise Lou Reed erfunden. Er selbst kommt kaum zu Wort, aber alle sprechen über ihn. So entsteht ein hochspekulaitives Portrait.

BG: Die Figuren sind Personen, wie sie auch in unserem Leben vorkommen: der frustrierte Begleitmusiker aus der zweiten Reihe, der entfremdete Partner, der zuhause ein völlig anderes Leben führt, die neurotische Mutter, die sich etwas anderes von ihrem Kind erhofft hatte... In Lou Reeds Biographie gab es diese Figuren, und sie waren so extrem, dass es filmreif ist.

OA: .. und Brezel hat ihnen die verschiedenen O-Töne angedichtet. Lou Reed hat in seinen Songs oft über die Menschen seines Umfeld gesungen, sie zum Thema seiner Lieder gemacht. Wir drehen den Spieß jetzt einfach um, und lassen diese Leute einmal retrospektiv zu Wort kommen. Reeds Songperspektiven werden also dekonstruiert und zurecht gerückt, Szenarien heraufbeschworen, im Probenraum, Backstage, Wohnzimmer, in der Nervenklinik… Im einzelnen sind es der siebzehnjährige Konzertbesucher, die Tourmanagerin Sylvia, und langjährige Ehefrau, Lou Reeds Mama, ein nicht näher definierter Mitmusiker, Nico, Velvet-Underground-Sängerin und Andy-Warhol-Muse, die Drag Queen Rachel, eine weitere Lebensgefährtin Reeds, Maureen Tucker, Velvet-Underground-Schlagzeugerin, verschiedene weitere Konzertbesucher des besagten Stadthallenkonzerts in Offenbach, ein damaliger Einsatz-Polizist sowie der Frankfurter Musik-Journalist, der in der gleichen Nacht das legendäre Foto von Lou Reed in Handschellen schoss. Spätestens hier dreht sich die Sache ganz wunderbar im Kreis, denn eben diesem Journalisten versuchen wir gerade so gut es geht die Fragen zu beantworten. Die eigene Identität wird zur Rolle, das real Erlebte wird zum Bühnenscript und die Erinnerung wird als Plattform mehr interpretiert als minituös rekonstruiert. Mal auf blöd mal virtuos wird sich an allem bedient, dem musikalischen und biografischen Material, den Instrumenten, den einfachsten Theatermitteln wie bebildernde Kulissen und Kostüme. So wird die Show zur Aneignung, zum Zitat, zur Stilisierung zweier Genres - Rockmusik und Theater.

Hörspielfassungen Deiner Produktionen sind ja quasi Standard; diesmal wurde gleich ein Album dazu angedacht? Wie kam es dazu? Lag das am Thema?

BG: Vinylpressungen unserer Produktionen hat es auch schon vorher gegeben, allerdings immer nur in beinhart limitierten Auflagen, dass selbst Sammler erstmal unsicher in ihr Portemonnaie geschaut haben, ob sie sich das leisten können. Jetzt haben wir ein professionelles Plattenlabel aus (na, woher wohl?): aus OFFENBACH, das sich um die Veröffentlichung kümmert, und damit gibt es auch ein Produkt, das den esoterischen Bereich des Kunstwerks und Sammlerobjekts verlässt.

CA: Ich denke es war eher anders herum. Wie vorher schon angesprochen – die Musik entstand sehr spontan und ohne großen konzeptuellen Vorlauf. Da ist nun also ein Album entstanden, aber auch noch so viel mehr Material und Umsetzungsideen. Das Album nicht für sich stehen, sondern als Teil eines Gesamtwerks erscheinen zu lassen, das die Konzertperformance und das Hörspiel mit umfasst, ist auch eine Konsequenz eurer bisherigen vielfältigen Zusammenarbeit. Ihr habt bereits gemeinsam Musik, Bühnenshows und Hörspiele gemacht, zum Beispiel „Der Ernst Neger Komplex“ und „Stadt der 1000 Feuer“ ..

OA: Klar, die LP, das Analogmedium Vinyl, passt jetzt natürlich wie die Faust aufs Auge. Am Uraufführungsabend, am 13.3. findet anschließend die LP-Release-Party statt. Ich hoffe Brezel wird sich dann auch wieder als DJ einbringen. Aber bis es zu sowas kommt, stecken hier auch langwierige Wege und letztlich das Glück dahinter, nicht irgendein Label für die Veröffentlichung der Schallplatte gefunden zu haben, sondern eines in, ja genau: Offenbach. Sabine-Lydia Schmidt vom Label "unbreakmyheart", die beim Offenbacher Kulturamt tätig ist, kam auf mich, ursprünglich wegen einer ganz anderen Sache, zu. .. Und so hat sich letztlich wieder eine inhaltliche Verbindung ergeben, zurück zum Ort des Geschehens, wovon das ganze Projekt profitiert. Eine weitere unerwartete Schleife ist übrigens, dass das Kulturamt Offenbach inzwischen die damals als Wurfobjekte verwendete Bestuhlung der Stadthalle übernommen hat und nun geplant ist, diese für eine Art Stuhl-Haufen-Skulptur im Foyer des Mousonturms zu verwenden.. das authentische Mobiliar wird also in gewisser Weise zum aus- und vorgelagerten Bühnenbild, und die abgeranzten blau-verlebten Plastikstühle werden plötzlich durch unseren Blick musealisiert. Köstlich! Und für das Plattencover verwenden wir ein Foto des damaligen Stadthallenhausmeisters, was er von der zertrümmerten Bühne samt Stuhlhaufen für die Haftpflicht-Versicherung gemacht hatte.

Zwischen Bildungstheater, Performance und Boulevard-Stück ... Habt ihr euch inzwischen auf ein Genre eingegroovt oder ist es alles und doch nichts davon?


CA: Sagen wir mal es ist ein performtes „Konzert“ und wird so ausgestellt. Das hat Anleihen von Livehörspiel und eine Haltung, die an Boulevard und Kabarett erinnern mag. Die Arbeit verweigert gewissermaßen jegliche Zuordnung und bedient sich an Formen, Materialien und Genres. Da ist kein Anspruch irgendwo reinzupassen. Alles und nichts davon triff es vielleicht ganz gut.

BG: Wir sind ja blutige Anfänger, mit Betonung auf "blutig". Intuitiv erweitern wir jedes Genre, dessen wir uns bedienen durch Regelverletzung. Leider geht unser Anfängertum so weit, dass wir oft nicht mal das Genre und dessen Grenzen kennen.

OA: Eines meiner letzten Hörspiele drehte sich um den Österreichischen Künstler Franz West, der in seinem Oeuvre die Begriffe "Autotheater" oder "Angewandte Kunst" - letzteres hat ja eher einen minderwertigen Beiklang - eingebracht hat. Ich finde diese teils verwirrenden Spiele mit Etiketten für "hohe Kunst" ganz großartig distanzschaffend, erhellend. "Angewandte Kunst" bezeichnet laut West "für Alltagszwecke verwendbare Objekte", also der Gebrauchs-Wert seiner Werke wird in der Konzeption seines künstlerischen Mobiliars durch den Nutz-Wert ersetzt. In diesem Sinn sind also verschiedene Genre-Grenzen fließend zu verstehen, und so könnten wir tatsächlich auch den Begriff des "Bildungstheaters" für uns hinbiegen. Sagen wir mal so: es geht ja bei diesen Sparten-Einordnungen immer auch um Abgrenzung, Verweigerung oder "Résistance gegen die feist funktionierende Welt", wie das zum Beispiel Morton Feldman benennt. Und um Behauptung. Wenn jetzt plötzlich alle Performance machen und jedes hinterletzte Stadttheater mit Multimedia, integrativem Theater, Bürgerbühne, Mitmachtrallala und-einmal-Rudelsingen-für-alle auftrumpft, tut es irgendwie gut, sich mit einem eher unbequemen sperrig-altbacken klingenden Label wie Bildungstheater herum zu schlagen.. Klar, man könnte aber auch ganz einfach Musiktheater sagen, weil wir uns natürlich auch von Oper, Operette und traditionellem Musical abzugrenzen haben, oder "Neues Musiktheater", wie es der Komponist Mauricio Kagel geprägt hat. Das neue Musiktheater ist nicht nur auf den Gesang konzentriert, sondern geht von einer Gleichberechtigung von Text/Musik/Bild/Raum/Klang aus, was auf der Bühne letztlich in Aktion umgesetzt wird. Die Akteure agieren sowohl musikalisch, sprachlich und darstellerisch. So wie wir! Denn ein wichtiger Strang unseres Projekts ist: ALLE MACHEN ALLES. Inhaltlich, formal habe ich ja schon oft auf meine Vorliebe, ohne Regie zu arbeiten, hingewiesen, oft aus der Haltung des Improvisateurs heraus. Hier ist es jetzt anders, eher im Sinne, dass der einzelne nicht Teil einer Band ist (die ja oft sogar sehr hierarchisch organisiert ist), sondern einer GRUPPE, GROUP. Da gibt es phantastische Vorbilder und Ansätze aus der 68er Bewegung oder überhaupt von Künstlergruppen etc..
Und so sind wir Tourbus-Fahrer, Köche, Sänger, Techniker, Studiospezialisten, Arrangeure, Instrumentalisten, Schlagzeuger, Gitarristen, Keyboarder, Sampling-Artisten.., Textautoren, Regisseure, Dramaturgen, Hörspielautoren und Pr-Texter, Produzenten .. +
innen .. alles in einem..
Gegen den Schock schocken – wurde das zu einer Art Arbeitsprinzip und wie könnte das auf die heutige Zeit übertragen werden,
um sich gegen den Wahnsinn zu wehren?

BG: Absolut. Man darf die Fiktion nicht den doppelmoralischen Politikern und ihrem verlogenen Fake-Dingsbums überlassen. Allerdings besteht unsere Art von Kunst und auch unsere Art von Humor darin, einfach die Wahrheit auszusprechen. Das wird dann als schockierend empfunden.

CA: Für mich stecken da viele Themen drin, die auch heute noch aktuell sind: Jeder kann sich in seine Jugend hineinversetzen – man weiß nicht, wo man sich zugehörig fühlen soll, ist auf der Suche, passt irgendwo nicht rein, flüchtet sich in Traumwelten, sucht Vorbilder und bricht aus. Erwachsenwerden, Anderssein, Identitätsfragen, das sind Universalthemen, die sowohl in den multiplen Portraits Lou Reeds, aber auch in der Perspektive deines 17jähigen Ichs oder in der Beziehung vom Fan zu seinem Idol zu finden sind.
Aber auch antiquiert erscheinende Themen wie die Konversionstherapie sind absolut relevant. Erst zu Beginn dieses Jahres ist ein Gesetz in Kraft getreten, dass Homosexuelle Menschen vor Konversionstherapien schützen soll. Dass ein solches Gesetz nötig ist, zeigt wie weit verbreitet die Idee ist, dass Homosexualität geschweige denn Transgender, Transidentität oder sich als Non-Binär zu verstehen – als krank und damit zu therapierend verstanden werden. Bemerkenswert, dass das Gesetz denselben Unterpunkt des Paragrafen 3 im Grundgesetz ersetzt, der Homosexualität kriminalisiert hat und erst 1994 abgeschafft wurde.

OA: Du musst nicht selbst in einer Elektroschocktherapie, dem Monster der Therapeutik, gewesen sein, um die Notwendigkeit zu kennen, gegen ein etabliertes bis verkrustetes und reaktionäres Denken ordentlich aufzumotzen. Bei mir zum Beispiel war es ein von Anfang an vorhandenes Misstrauen meiner Großelterngeneration gegenüber, was der gute Deutsche "früher" bejahte und bejubelte bevor er dann ganz kleinlaut das Entnazifizierungsschreiben unterschrieb. und ab geht es in Richtung Wirtschaftswunder: "und jetzt muss aber auch mal gut sein mit der Vergangenheit, und wir wussten ja von nichts.." Ich habe vor Jahren schon ein Projekt über die Verfolgung von Menschen in NS-Deutschland aus Stadt und Land Offenbach am Mousonturm realisiert. ..
Lou Reed sagte mal "Elektrizität brachte mich zum Underground. Wenn ich mich retten wollte, musste ich es selber machen. Gegen den Schock: schocken!" Irgendwie hatte ich das für mich schon immer genauso gesehen, der unbarmherzige Einsatz von Feedbackschleifen an meinem Behringer Mischpult, die ganze Noise-Ästhetik, die wir mit der Gruppe FREUNDSCHAFT in den 90ern den Leuten um die Ohren gehauen haben. Das hatte für mich immer diese gesellschaftskritische Grundposition. Während damals alles auf High-Tech abgefahren ist, die CD und die aufkommende Digitalisierung angebetet wurde, die Hifi-Anlagen in den guten Wohnzimmern um- und aufgerüstet wurden, haben wir an den billigen Mixern die wackligen Regler hochgezogen, bis uns die Ohren gepfiffen haben. Das war Techno im reinsten Sinne, alle Clicks und Noises ungeschönt auszustellen. Das war Elektroschock auf unsere Art und Weise. Im Grunde wurde damals - wie heute mit den Smartphones - mit der sterilen CD-Ästhetik halt nur ein weiteres Bedürfnis von der Krake Kapitalismus künstlich geschaffen, ein Markt kreiert, bis jeder so einen Player hatte und unzählige Tonträger verkauft wurden.., und heute, eigentlich nur ein paar Jahre später, kannst du den ganzen Schrott wegwerfen. Das ist ein Teil des Wahnsinns vielleicht von dem du sprichst? Insofern ist das also auch immer eine Aussage, wenn wir statt CD oder digitaler Veröffentlichung eine "richtige" Schallplatte machen.
Antonin Artaud, der eines meiner Lieblingsdefinitionen von künstlerischer Arbeitsweise hervorgebracht hat, nämlich „Alles muss haargenau in eine tobende Ordnung gebracht werden“, der große französische Schriftsteller, Theaterautor, Darsteller und Theatertheoretiker, selbst in verschiedenen Heilanstalten in den frühen 1940er Jahren elektrogeschockt, wählte eine "elektrische" Sprache, um gegen die Elektroschocks zu reagieren. Daran möchten wir uns orientieren und auch im augenfällig unterhaltsamen Gewand eines Theaterabends die Finger weiterhin ganz liebreizend auf die Wunden unserer Zeit legen.
Nebenbei, als ich geboren wurde, 1962, wurde Homosexualität in den USA immer noch als "mental disorder", also als Geisteskrankheit eingestuft. Das wurde erst in den 70ern gesetzlich geändert. Wie es danach in den Köpfen der Leute weiterhin aussah und aussieht, möchte ich aber lieber nicht wissen, siehe Stichwort Entnazifizierung in Deutschland oben. Wie man weiß, werden ja weltweit Homosexuelle immer noch in 78 der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen strafrechtlich verfolgt, teilweise ist sogar die Todesstrafe für gleichgeschlechtliche Liebe vorgesehen. Wenn das kein Wahnsinn ist, gegen den es sich lohnt, zurück zu elektroschocken?




17.1.2020
OFFENBACH POST
Wer war Zeuge von Lou Reeds Skandal-Auftritt?

In Gewahrsam: Lou Reed wird von der Offenbacher Polizei abgeführt. Foto: Kinsler

Offenbach – Unsere gestrige Berichterstattung über ein Hörspiel, das den skandalösen Auftritt des Rockmusikers Lou Reed anno 1979 in der Offenbacher Stadthalle zum Thema macht, hat viele Leserreaktionen provoziert. Offenbar ist diese Episode der jüngeren Zeitgeschichte noch vielen musikinteressierten Lesern in bester Erinnerung. Was ja nicht verwundert, denn Konzertabbruch, Polizeieinsatz und vorübergehende Inhaftierung des Musikstars hatten das Zeug für überregionale Schlagzeilen.
Da sich, wie berichtet, die näheren Umstände des Tumults, der schon beim ersten Lied ausbrach und schließlich zum Abbruch des Konzertes führte, bis heute nicht genau rekonstruieren lassen und auch keine entsprechenden Berichte von offiziellen Stellen vorliegen, rufen wir unsere Leser hiermit dazu auf, sich an der Spurensuche zu beteiligen.
Wer kann uns Zeitzeugen nennen oder hat gar Konzertbesucher im Freundes-, Bekannten- oder Verwandtenkreis, die zur Aufklärung des Mysteriums um Lou Reed und seinen legendären Auftritt am 6. April 1979 beitragen können und wollen? Sachdienliche Hinweise nimmt die Redaktion unter der E-Mail-Adresse red.kultur@op-online.de gern entgegen. Bitte vergessen Sie nicht, in Ihren Zuschriften ihre Adresse und Telefonnummer anzugeben, damit wir Kontakt aufnehmen können.  cm
Quellenangabe: Offenbach-Post vom 17.01.2020, Seite 33

 

16.01.20
Offenbach Post
Pöbelei mit Nachspiel
Das Konzert endete im Tumult: Am 6. April 1979 betrat Rockmusiker Lou Reed die Bühne der Offenbacher Stadthalle. Kurze Zeit später flogen Stühle durch den Saal, Reed wurde von der Polizei abgeführt. Ein Hörspiel widmet sich jetzt diesem legendären Abend.
Der in Offenbach aufgewachsene Oliver Augst und die Musiker der Berliner Band Stereo Total haben die Songs und Texte geschrieben.

VON LISA BERINS
Offenbach – Der 17-jährige Oliver Augst ließ sich von seiner „Flamme“ zum Konzert mitnehmen: An diesem Aprilabend 1979 sollte ein US-amerikanisches Idol in der Offenbacher Stadthalle auftreten. Augst war neugierig, es war sein erstes Rock-Konzert. „Lou Reed – in meinem Kaff! Und da ist dann auch noch die Stadthalle demoliert worden“, erinnert sich der Musiker und Hörspielautor.
Er saß mit seiner Freundin weit hinten im Saal. „Wir haben endlos gewartet, die Atmosphäre war aufgeheizt.“ Dann endlich erschien Lou Reed auf der Bühne. „Er hatte das erste Stück noch nicht zu Ende gespielt, da ging der Tumult schon los“, erinnert sich Augst: Stühle flogen auf die Bühne, Menschen kletterten auf die Boxentürme und warfen Lautsprecher hinunter. Augst fragte sich, wo er da hineingeraten ist. Backstage wurde der Rockstar von Offenbacher Polizisten verhaftet, im Saal lotsten nach Augsts Erinnerungen uniformierte US-Militärpolizisten die Menge zu den Ausgängen.
„Ich frage mich manchmal, ob das wirklich passiert ist“, sagt der Musiker heute. Eine Initialzündung sei der kurze Auftritt gewesen: Das war also Rockmusik, eine physische Macht, eine Welt voller Gewalt, Drogenexzesse, Aggression, die seiner behüteten Kindheit in Bürgel an diesem Abend gegenüberstand.
41 Jahre später hat der heute in Ludwigshafen und Paris lebende Produzent, der an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung studiert hat, seine Erinnerungen zu einem Hörspiel verarbeitet. Zusammen mit den Berliner Musikern Brezel Göring und Françoise Cactus, die als Band Stereo Total bekannt sind, und der Dramaturgin Charlotte Arens ist eine Collage entstanden aus Erinnerungen, Assoziationen, halbfiktionalen Augenzeugenberichten und eigens geschriebenen und performten Songs. „Wir sind nicht wissenschaftlich an die Sache gegangen“, erzählt Augst. Locker, bissig, ironisch klingt das Ergebnis: In einem Lied werden zum Beispiel dem pöbelnden Rockstar die Zeilen „I hate the audience ... Who cares about Offenbätsch“ in den Mund gelegt.
Außerdem kommen imaginierte Menschen aus dem Umfeld Lou Reeds zu Wort: ein Polizist, ein Journalist, Lou Reeds Mutter, seine Transfrau Rachel. Die vermeintlichen „O-Töne“ dieser Personen sprechen prominente amerikanische Künstler ein, Sonic-Youth-Bassistin Kim Gordon oder die New Yorker Schauspielerin Stella Schnabel.
Am 13. März wird das Hörspiel live als Performance im Frankfurter Mousonturm uraufgeführt. Gleichzeitig erscheint eine Langspielplatte mit den Songs auf dem Offenbacher Label Unbreakmyheart. Dessen Betreiberin Sabine-Lydia Schmidt hat sich vor Ort für die Rekonstruktion des Geschehens auf Recherche begeben.
Im Archiv des Hauses der Stadtgeschichte stieß sie auf Zeitungsartikel, die Polizei Südosthessen fand allerdings keine Akten mehr. Die Anzeige einer Konzertbesucherin, die von Lou Reed geschlagen und getreten worden sein soll, war nicht zu finden. Dennoch: Einige im Revier erinnerten sich noch an den Einsatz.
Es gebe viele Versionen des Abends, sagt Schmidt: Der Schaden in der Stadthalle werde mal mit 10?000, dann mit 30?000 oder 50?000 D-Mark beziffert. Man wisse auch nicht, ob der Musiker nach der Verhaftung direkt auf Kaution freikam oder erst noch eine Nacht in einer Offenbacher Zelle verbrachte. „Es flogen auf jeden Fall Stühle beim Konzert“, sagt Schmidt. Das beweisen Fotos des damaligen Hausmeisters. Heute sind die Stühle im Besitz des Offenbacher Kulturamtes. Schmidt will zur Aufführung eine Installation daraus bauen.
Wie konnte es zu der Eskalation kommen? Das fragt sich Augst noch heute: Der Rocksänger Reed (1942-2013), Gründungsmitglied der von Andy Warhol geförderten Band The Velvet Underground, war Ende der 70er auf dem Tiefpunkt seiner Alkohol- und Drogensucht; mehrere Konzerte seien zu der Zeit abgebrochen worden, so Augst. Aggression und Provokation gehörten dazu, „es war vielleicht eine Art Ritual“. Und das hauptsächlich amerikanische Publikum sei stark alkoholisiert gewesen. In dem Hörspiel „Lou Reed in Offenbach“ werden auch die Biografie und die Persönlichkeit des Musikers beleuchtet: seine selbstzerstörerische Wut und Unberechenbarkeit.
„Reed war mit 17 Jahren von seinen Eltern in ein Krankenhaus zur Elektroschock-Therapie gebracht worden“, erzählt Augst. Damit sollten seine homoerotischen Neigungen behandelt werden. „Er hat mal gesagt, dass ihm danach nichts anderes übrig blieb, als zurück zu schocken.“
In den Nullerjahren lief Oliver Augst der Musiklegende bei einer Filmpremiere in Frankfurt über den Weg. Mehr als ein „Hello, how are you?“ sei ihm aber nicht über die Lippen gekommen – nach der Pöbelei in der Stadthalle habe er auch nicht gefragt. Augst: „Das bereue ich heute noch.“

 






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