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ON AIR: WOYZECK / 2016

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.02.2016, Nr. 30, S. 38
"Jeder Mensch ist ein Abgrund
Das Theaterhaus Frankfurt spielt "On air: Woyzeck"
"Er hat keine Moral", behauptet der Hauptmann, und der Arzt behandelt ihn, wie man eine Laborratte behandeln würde. Woyzeck wird "die Natur" ausgetrieben, wochenlang isst er nur Erbsen - kein Wunder, wenn man da zu halluzinieren beginnt. Wie Johann Franz Woyzeck, 30 Jahre, sieben Monate und zwölf  Tage, Füsilier, von den Verhältnissen wie in einen Schraubstock gezwungen wird und schließlich, als seine Liebe verlorengeht, zum Mörder wird, ist auch nicht gerade einfache Kost. Schullektüre ist Georg Büchners unvollendet gebliebenes Drama. Ob Jugendlichen der Stoff nahegeht? Wenn sie ihn in der Version des Frankfurter Theaterhaus Ensembles erleben, könnte das durchaus der Fall sein.  Mit "On air: Woyzeck" macht das Theaterhaus in der Regie von Rob Vriens aus dem Drama ein packendes Live-Hörspiel, einen Psycho-Krimi. In der geschickt gestrafften Fassung von Susanne Freiling sitzen die vier Ensemblemitglieder mit dem Musiker Marcel Daemgen an schlichten Tischen mit Mikrofonen, Verstärkern, Plattenspielern, nur Susanne Schyns als Woyzeck trägt mit Cargohosen und Marschstiefeln eine Art Kostüm. So angereichert wird der Text akustisch ausgebaut und greifbar gemacht. Das beginnt mit dem von Büchner gewünschten hessischen Dialekt, der besonders Maries (Uta Nawrath) Sprache diskret färbt - schließlich spielt der Woyzeck in Darmstadt. Vor allem aber ermöglicht die elektroakustische Ton- und Misston-Collage von Oliver Augst und Marcel Daemgen es, sich auf den Text, der jüngeren Zuhörern oft genug fremd und befremdlich erscheinen muss, einzulassen. Rummelplatz und Kneipentreiben, Dorftanz und Nachtstimmung zaubert Daemgen aus seinem Computer hervor, und das Ensemble steuert Volkslieder bei, wie sie schon zu Büchners Zeiten gesungen wurden, mal mehrstimmig und im Vordergrund, mal leise, als Soundteppich und stimmliches Bild der ständigen Beobachtung. Wenn Woyzeck spricht, wird aus seiner Stimme mal ein dunkles Grollen, mal ein dumpfer Hall, Michael Meyer charakterisiert mit Stimm- und Registerwechseln den Tambourmajor und den irren Arzt, Günther Henne spricht mit Megafon die Regieanweisungen ein und trägt als Großmutter Büchners bitteres "Märchen" vor. Für seine herausragende langjährige Zusammenarbeit mit dem Theaterhaus Ensemble hat der Amsterdamer Regisseur Rob Vriens soeben den Frankfurter Kindertheaterpreis "Karfunkel" zuerkannt bekommen, und "On air: Woyzeck", das zweite "Live-Hörspiel" nach den "Räubern" 2013, beweist, wie gut die vier Darsteller und Vriens harmonieren können. Die Lust am Musikalischen zumal macht aus "On air: Woyzeck" nicht nur einen anregenden Theaterabend: Man wünschte sich, in ein paar Jahren gäbe es einen hübschen Schuber mit CDs zu kaufen, eine "On air"-Serie mit klassischen Dramen, als Hörspiel neu erzählt für junges Publikum."
EVA-MARIA MAGEL

Strandgut 07/2016
"Ein Muss"

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.09.2013, Nr. 223, S. 38"Der Klang von Liebe und Tod
Das Theaterhaus Frankfurt zeigt "On air: Die Räuber"
Natürlich ist das ein Jugendstück. Der Autor war gerade mal 20 Jahre alt, als er seinen Zorn auf die Verhältnisse in das Mord-und-Totschlag-Drama fasste. Wer mit dieser frohen Botschaft und einem Stapel Reclam-Heftchen von Schillers "Die Räuber" vor eine Schulklasse tritt, dürfte schon verloren haben. Deshalb haben sich die beiden Frankfurter Musiker Marcel Daemgen und Oliver Augst alias TextXTND mit dem Ensemble des Theaterhauses Frankfurt (Uta Nawrath, Susanne Schyns, Michael Mayer, Daniel Maier, Günther Henne) zusammengetan, um "Die Räuber" für ein Publikum von 13 Jahren an interessant zu machen - als Live-Hörspiel, das nun "On air: Die Räuber" heißt. Wissend, dass das größte Hindernis für den Zugang paradoxerweise der Text selbst ist, seine rar gewordenen Formulierungen, die Fremdheit der beschriebenen Situationen, in denen sich doch vieles versteckt, was den Jugendlichen vertraut sein dürfte.  All das sperrt diese Fassung (Dramaturgie Susanne Freiling) nicht aus, die Schillers Text auf 80 Minuten kondensiert. Im Gegenteil: Der Struktur des Textes, seinem Rhythmus, seinem Klang sind die Musiker und Schauspieler unter der Leitung von Rob Vriens auf den Grund gegangen. Der Niederländer ist nach kurzer Pause wieder als Hausregisseur an das Theaterhaus zurückgekehrt, um gleich mit einem deutschen Klassiker in unerforschtes Terrain vorzudringen. Das Ergebnis ist ein tatsächlich erweiterter Text, der fast ohne Schauspiel auskommt. An einem langen Tisch sitzen alle Akteure an Mikrophonen, mit Synthesizer, Computer, Plattenspieler und allem, was Geräusche macht. Augst und Daemgen collagieren, wie sie es auch sonst tun, bekannte Melodien, Tonfolgen, Geräusche und den Text selbst als Klangmaterial. Mit Zwischentexten, die Susanne Schyns als Moderatorin spricht, um das Geschehen zusammenzufassen, sprechen die Schauspieler alle Rollen, wird Günther Henne zum Fiesling Franz, Michael Mayer zu Karl, Uta Nawrath zu Amalia. Mordlust und Verzweiflung, Liebe und Hass werden zum Klingen gebracht, mal skandiert, mal geloopt, mal gesungen. Auch an Pathos fehlt es nicht, und das Ende zitiert sehr stimmig große Hollywoodgefühle. Allerdings erfordern sowohl die Text-Ton-Collage als auch die zwar in heutigem Deutsch, aber nicht ganz einfach gehaltenen Zwischentexte eine hohe Konzentration von den Zuhörern. Nicht viele junge Zuschauer sind dazu in der Lage. Vielleicht aber bekommen sie Lust, das eindrucksvolle Hörspiel noch einmal anzuhören - ganz ohne Bild. Die jeweils aktuelle Live-Version lässt sich auf Youtube nachhören."
   EVA-MARIA MAGEL 

 

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