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ON AIR: DIE VERWANDLUNG / 2020

FAZ 9.3.2020
Käfer im Trapez
„On Air: Verwandlung“ im Theaterhaus
Frank­furt Die Arten schwin­den, ein In­sekt aber ver­brei­tet sich be­son­ders rasch: der Samsa-Käfer. Kaf­kas Pro­sa­text „Die Ver­wand­lung“ ist seit ei­ni­gen Spiel­zei­ten als Thea­ter­pro­jekt hoch­be­liebt. Nun macht das Thea­ter­haus En­sem­ble Frank­furt nach „Die Räu­ber“ und „Woy­zeck“ „Die Ver­wand­lung“ zum drit­ten Pro­jekt der Live-Höspiel-Serie „On Air“ für Pu­bli­kum von 14 Jah­ren an. Wie­der wir­ken die Klang­kom­po­si­tio­nen von Oli­ver Augst und Mar­cel Daem­gen alias tex­tXTND, das Thea­ter­haus En­sem­ble und Rob Vri­ens zu­sam­men. Vri­ens wird nun nach vie­len er­folg­rei­chen In­sze­nie­run­gen sein En­ga­ge­ment als Haus­re­gis­seur des Thea­ter­hau­ses be­en­den, der be­dau­er­li­che Ab­schied soll al­ler­dings kein end­gül­ti­ger sein, heißt es.
Dass auch im drit­ten An­lauf der ge­spiel­ten Hör­stü­cke, die auch im In­ter­net ab­ruf­bar sind, wie­der ein neuer As­pekt her­vor­ge­kehrt wird, spricht für die ge­mein­sa­me Ar­beit. Su­san­ne Schyns wurde von der Ar­tis­tin Kiki Beit­tel trai­niert und ist, in ein blau­es Tuch als Tra­pez ein­ge­schlos­sen, in dem sie immer neue For­men fin­det, die leib­haf­ti­ge Me­ta­mor­pho­se. Die Ver­wand­lung selbst, das Ku­rio­se, Mons­trö­se und Bi­zar­re an der Kä­fer­wer­dung Gre­gor Sam­sas und der Hal­tung sei­ner Fa­mi­lie, steht auch im Mit­tel­punkt der ge­straff­ten Fas­sung. 
Das bie­tet reich­lich Raum für das Hör­erleb­nis. Uta Na­wrath, Mi­cha­el Meyer und Gün­ther Henne spre­chen bis­wei­len mit elek­tro­ni­schen Ef­fek­ten, spie­len mit In­stru­men­ten und Ge­räu­schen, die auch den düs­te­ren Humor von Kaf­kas Text her­vor­keh­ren. Dass der Druck, der auf Gre­gor las­tet, dass die Bin­nen­ver­hält­nis­se in der Fa­mi­lie keine Rolle mehr spie­len, er­mög­licht zwar ein ef­fekt­vol­les, ge­rad­li­ni­ges Er­zäh­len. An­ders als bei den bei­den ad­ap­tier­ten Thea­ter­tex­ten ver­misst man bei „On Air: Die Ver­wand­lung“ den viel­schich­ti­gen Reiz der Vor­la­ge aber doch. emm.

 

FR 9.3.2020
Frankfurt
Theaterhaus Ensemble: Wenn die gewohnte Ordnung gesprengt wird

Das Frankfurter Theaterhaus Ensemble lässt in seiner preisgekrönten Reihe „On Air“ diesmal „Die Verwandlung“ hören – und auch sehen.
Das Mischpult inmitten von zwei Sprechkabinen ist im „On Air“-Projekt des Theaterhaus-Ensembles Hauptakteur. Es füllt zwischen zwei improvisierten Sprechkabinen und einem herabhängenden blauen Tuch imposant den Bühnenraum. Schon der erste Blick auf die Szene dokumentiert also die ungewöhnlich technisch geprägte Erzählform, die diese Inszenierung bestimmt. Die Regler und Drehknöpfe der Tontechnik, die sonst diskret im Hintergrund oder am Rand der Bühne bleiben, sind hier zentral.
Es geht viel um und über den Klang in der Hör-Spiel-Performance „On Air: Die Verwandlung“, die sich der Erzählung Franz Kafkas in der Regie von Rob Vriens auf besondere Art nähert. Zunächst hört man nur Weltraum-Rauschen und stetes Tropfen von Wasser. Nachhall-Effekte verwandeln den Klang, jemand scheint irgendwo mit Geld zu klimpern. Vorsichtig mischen sich via Mikrofon weitere Akteure in das Geschehen ein. Sie sitzen oder stehen in einer der Sprechkabinen. „Aufstehen“ heißt es von dort auffordernd. Im blauen Tuch entsteht plötzlich ruckartige Bewegung. Ein Kopf lugt hervor. Hier zeigt sich – körperlos – menschliches Leben.

 

Das Gewohnte ist futsch

Während nun Susanne Schyns im akrobatischen Spiel am blauen Tuch den Prozess der Verwandlung in Bewegung überträgt (Artistiktraining: Kiki Beittel), geben Erzählstimmen den Handlungsverlauf. Die Irritation, die entsteht, wenn ein Familienmitglied sich gänzlich unerwartet verändert und die gewohnte Ordnung sprengt, wird einerseits in diesen Stimmen (Günther Henne, Michael Meyer und Uta Nawrath) spürbar.
Die bizarre, äußerst befremdliche Atmosphäre wird jedoch vor allem durch die Klanggestaltung von Marcel Daemgen und Oliver Augst erzeugt, die unter dem Label „textXTND“ elektronische Kompositionen erarbeiten, und das Mischpult wie einen Konzertflügel nutzen. Regler und Drehknöpfe dienen ihnen nach Art der Klaviertasten dazu, einen eigenen Klangraum zu erzeugen. Die elektronische Bearbeitung ermöglicht eine enorme Vielfalt an Tönen und Klängen, die sich dem kafkaesken Erzählstil kongenial anpassen.
Dies ist nach „On Air: Die Räuber“ und „On Air: Woyzeck“ die dritte Produktion in der Reihe der Hör-Spiel-Performances, die mit dem Theaterhaus Ensemble entstanden ist, um klassische deutsche dramatische Literatur im Ton der Zeit einem jungen Publikum ab 14 Jahren zugänglich zu machen. 2018 ist das Projekt für diese überzeugende, innovative Inszenierungsweise mit dem Kinder- und Jugendtheaterpreis „Karfunkel“ ausgezeichnet worden. Die aktuelle „Verwandlung“ hat die geweckten Erwartungen eindrucksvoll bestätigt.

 

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