SPRENGKRAFT SEHNSUCHT
Zu Augst & Daemgens Begriff des Schlagers
von Frank Kämpfer
Minimalistisch, zugleich filigran und von ganz eigener Musikalität – Augst & Daemgen haben wieder einmal überrascht: Das bezieht sich einerseits auf den überzeugenden Ansatz geradezu skelettierender Reduktion, was die musikalischen Mittel betrifft – zum anderen auf die Sphäre, in die diese Produktion hineingreift, hinein zielt: In der Welt des Schlagers, deren Wirkung auf Stereotypen beruht, werden, so scheint es, die Dinge erstaunlich offen beim Namen genannt. Anders als in der Neuen Musik gibt sich das Eigentliche unverstellt: Emotionen werden mitnichten verschwiegen, geradezu breitbandig sollen sie sich entfalten. Nicht anders ist es auch hier, in zahlreichen Neukompositionen, die „Schlager“ mit sparsamen, gleichwohl poetischen Mitteln zitieren, persiflieren, vor allem imaginieren: Abschied und Vergänglichkeit begegnen dabei als wiederkehrende Themen; Sehnsucht artikuliert sich als angesichts des Unabänderlichen, und als Einspruch dazu. Liebe und Wiederkehr, Wiederkehr von Verlorenem, diese Topoi bemühen fast alle Texte und Titel. Zugleich formuliert sich das Bedürfnis nach Fernen, Fluchträumen, Gegenwelten, die anderen Koordinaten gehorchen als die alltägliche Realität.
Sie sind ein gutes Stück Weges gegangen, Augst & Daemgen – fünf Platten haben wir im Deutschlandfunk mit Ihnen inzwischen koproduziert. Die ersten – „An den deutschen Mond“, „Marx“ und „Jugend“ – konzipiert und eingespielt mit Ex-Bandmitglied Christoph Korn. Die enorme Intensität hat uns im Studio stets fasziniert, ganz gleich ob deutsches Volkslied, proletarische Songs, Hanns Eisler, romantisches Klavierlied oder Peer Rabens Filmtitel anstanden – als Material, das es zu vergegenwärtigen galt. – Zweifellos steht diese ARBEIT für einen wiederbelebenden, womöglich auch neuen, in jedem Fall singulären Umgang mit dem Genre des Liedes, wenngleich diese Wertung bedeutungsarm ist. Ein veränderter Umgang mit dem Leben, das vielmehr ist es – darauf zielt dieser Ansatz in Wahrheit! Dorthin tendiert [mir] grundsätzlich Augst & Daemgens musikalische Kunst: das Unverbrauchte, Uneingelöste wird aufgespürt, offen gelegt: auf dass Sehnsucht sich Bahn breche, einlöse – stärker als jegliche Konvention und reglementierende Macht.
Manch Unerhörtes, Frevelhaftes ist ihnen selbstredend verlustig gegangen in fünfzehn Jahren gemeinsamen Tuns. Aufstörendes, Polarisierendes jedoch ist bis heute präsent – hier klingt es auf in fantasiereichen Dialogen von Stimme und Schlagzeug, in extremer Besetzung mit Sven-Ake Johannsen und Christian Anders. In geradezu entkernten Fakturen, im unauflösbaren Gegenüber zwischen ersehntem Ideal und trostarmer Realität. Das zu erforschende Wesen des Schlagers scheint indes größer als seine merkantile Funktion, unverzichtbare Droge zu sein, Droge der Banalität. Hier liegt ein Angebot vor, das dieses Wesentliche in eigenen Texten, Melodien und Geräuschwelten fasst – in Stimmen und Stimmungen, denen jegliches Verleugnen und Zurückweisen fehlt. Manche Titel loten sehr tief, manche vermögen ihre Hörer leicht zu verführen, so wie gute Schlager das eben tun. Vorliegende neue CD ist Augst & Daemgens bislang radikalste – sie birgt keine Schlagerparade, vielmehr ein Konzept, das zum Hören und Denken anregt und also gut unterhält.
Was singt in mir (Bastian Zimmermann)
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