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HARTH RASSMUSSEN DAEMGEN FISCHER / 2014


Spontanes Treffen - spontane Musik. Alfred harth kam in Wiesbaden mit Marcel Daemgen und Jörg Fischer zusammen. Die drei trafen sich im November 2014 im Studio Planet Nr. 13, das im Zentrum der hessischen Landeshauptstadt liegt. Dort legten sie gemeinsam los und gingen anschließende wieder auseinander. Daemgen schnitt in den folgenden Wochen das entstandene Rohmaterial zusammen - wue einen Film. Wieviel das Ergebnis mit der realen Einspielung zu tun hat, können wir nur ahnen. Aber "Confucius Tarif Reduit", der Titel einer Ausstellung "Altes China" 2003 in Paris entlehnt, klingt wie ein Abenteuer, wie ein Ab- und Austausch von sozialen Ver- und Unverbindlichkeiten. Geräusche werden zu Klängen, Klänge zu Harmonien, Harmonien entwickeln sich zu Songs. Manche Texturen sind wie Collagen aneinander getuckert, manche Schattierungen erinnern an experimentelle Hörspielbearbeitungen. Avantgarde im Steilflug, erfrischend, aufwühlend, unnachgiebig.
(Jörg Konrad, Jazz Podium, November 2016)

 

Daemgen, Fischer, Harth: Confucius Tarif Reduit
Das Publikum auszutricksen und ihm Streiche zu spielen, gehört für viele Musiker zu den beliebtesten Hobbys und Gewürzen des Lebens. Das gilt doppelt für den Jazz, in dem die Spieler traditionell die Rolle von Entertainern spielen und sich mit dieser Rolle in gewisser Weise auseinandersetzen müssen, und in gewisser Weise auch für die heutige Musik, die musikalische Stile und Idiome ausgiebig zitiert und oft ironisch kommentiert.
Wenn die Erwähnung von Konfuzius im Titel des Albums Sie also in den Osten führt, sollten Sie schnell nach Europa zurückkehren, denn auf den Alben dieser drei Improvisatoren ist nur wenig Orientalisches zu finden. Das Projekt, ein Album mit Improvisationen zu machen, entstand in den Köpfen des Schlagzeugers und Perkussionisten Jörg Fischer und des Synthesizerspielers Marcel Daemgen, die schon seit einigen Jahren zusammen auftreten. Mit dem Multimediakünstler, Bläser, Sänger und Dojirak-Spieler (ein Instrument, mit dem er nur im Internet in Verbindung gebracht wird) Alfred 23 Harth, in dessen Band Imperial Hoot Daemgen in den 1990er Jahren aktiv war, holten sie den idealen Kandidaten für diese Aufgabe.
Obwohl die Musiker im Text auf dem CD-Cover ausdrücklich erklären, keine Dadaisten zu sein, soll der Titel des Albums von der gleichnamigen Ausstellung stammen, deren Eintrittskarte Alfred Harth im Buch New York Dada entdeckte, was schon stark nach Dadaismus oder Duchamps Konzept des Readymades riecht. Immerhin zitieren die Titel der Stücke selbst Wortfragmente von Duchamp, Paul Elouard oder Simone de Beauvoir. Wenn man also schon das Gefühl hat, dass man ausgetrickst oder an der Nase herumgeführt wird, ist es ein berechtigtes Gefühl.
Genremäßig bewegt sich das Album an der "altbekannten" Grenze zwischen Free-Jazz und freier Improvisation und setzt sowohl auf die dankbaren Klangfarben akustischer und elektronischer Instrumente als auch auf deren zufällige Überschneidungen. Das Eröffnungsstück Kostenloses Vergessen kontrastiert den mechanischen elektronischen Beat mit Fischers rhythmisch und stilistisch variablem Spiel. Trotz des übergreifenden Quietschens von Harth an der Trompete wirkt das Zusammenspiel von Beat und Perkussion jedoch etwas schwerfällig und antriebslos. Bodenhaftung ist eine Fusion aus Lo-Fi-Electronica und Free Jazz, aber es ist Harths Gesang, der die Aufmerksamkeit auf sich zieht, oder besser gesagt, Wörter und Satzfetzen wie "Bodenhaftung", "Weingarten", "frische auf Eis", die mit ironisch verächtlicher und leicht gestörter Stimme durch ein Megaphon gesprochen werden und die Volksweisheit über das Trinken von Wein in bestimmten Kreisen parodieren. Solche isolierten Worte sind über das ganze Album verstreut und wirken wie eine Art Meta-Kommentar. Das Stück 5 Stunden Wald hingegen fungiert mit seiner eindringlichen Melodie, die in verschiedenen Variationen immer wieder auftaucht, als Dekonstruktion des Liedformats. Um das Blut in den Adern pumpen zu lassen, muss man sich allerdings bis zum Ende des Albums gedulden, wo sich die Akteure endlich zurücklehnen und uns aus unserer Lethargie herausholen.
Alles in allem ist das ganze Projekt eher peinlich. Oft erweckt die Improvisation den Eindruck, dass die Spieler nicht so recht wissen, in welche Richtung sie gehen sollen und darauf warten, dass einer ihrer Mitspieler die Richtung vorgibt. Alfred 23 Harth belebt das Album zwar in jeder Hinsicht mit seinem Temperament und seinen schelmischen, an Don Cherry erinnernden Sprüchen, aber für eine One-Man-Show reicht es nicht. Improvisation ist schließlich ein Prozess, der sich aus dem Zusammenspiel und der gegenseitigen Inspiration entwickelt, so dass das Hinzuziehen des besten Musikers nie eine Garantie für ein zufriedenstellendes Ergebnis ist.
8. 2. 2016    
Daemgen, Fischer, Harth: Confucius Tarif Reduit
Sporeprint (https://www.joerg-fischer.net/sporeprint.html)

 

Die fragmentierte Bodenhaftung
von Stefan Michalzik
In musikalisch freier Form: Ein Album voll sublimer Spannungen von Marcel Daemgen, Jörg Fischer, Alfred 23 Harth.
Sehr laut und ziemlich leise: Das ist das dynamische Spektrum, in dem sich die zwölf Nummern dieses Albums bewegen. Der elektroakustische Instrumente spielende, in Offenbach lebende Musiker Marcel Daemgen und der Wiesbadener Schlagzeuger und Perkussionist Jörg Fischer bilden schon seit längerem ein Duo. Für das Album "Confucius Tarif Reduit" haben sie sich den Saxofonisten und Multiinstrumentalisten Alfred 23 Harth hinzugeholt. Beide haben sie schon in der Vergangenheit mit ihm gespielt, Daemgen ist in den späten neunziger Jahren Mitglied von Harths Band Imperial Hoot gewesen. Im November vergangenen Jahres hat das Trio ein Konzert in der Hofheimer Krebsmühle gegeben, am Tag darauf ist es ins Studio gegangen. Die Basisaufnahmen sind aus einem improvisatorischen Prozess heraus entstanden, später hat Daemgen sie am Mischpult neu strukturierend nachbearbeitet.
Es handelt sich um starke Setzungen voller sublimer Spannungen im Sinne einer musikalischen Ästhetik der freien Form. Die Ahnherren dafür sind in der britischen experimentellen Rockszene der siebziger Jahre verortet. Stichwort: Henry Cow. Das Klangbild ist bisweilen zurückgenommen, zäh fließen die Rhythmen einer reduktionistischen Perkussion. Bei der Nummer "Bodenhaftung" handelt es sich gleichsam um ein Lied. Ein in Fragmente geschnittenes allerdings: in größeren Abständen meldet sich die in den Frequenzen beschnittene, wie aus einem Megafon kommende Sprechstimme Harths zwischen Abschnitten mit stetig variierten Synthiesounds. "Hymnus" hingegen ist ein lärmiges Getümmel in fein abgestuften Schattierungen. "5 Stunden Wald" markiert unterschwellig einen Blues. Mittels einer Technik des Separierens greift "Tu?çe" Worte auf, die im Zusammenhang mit dem Geschehen um das Gewaltopfer in Offenbach stehen.
"Wir sind keine Dadaisten", stellt Alfred 23 Harth in den Liner Notes klar. Nicht ohne Grund aber verweist er auf das hundertjährige Jubiläum dieser historischen Avantgarde. Sein Text ist von assoziativen Sprüngen gekennzeichnet, dieser Umstand stellt einen Schlüssel zu der musikalischen Ästhetik dar. Bei dem Titel des Albums handelt es sich um ein Readymade. Die Worte stehen gedruckt auf der Eintrittskarte zu einer Ausstellung über das Alte China 2003 in Paris, Harth hat sie als Buchzeichen in einem Band mit dem Titel "New York Dada" wiedergefunden. Für das Cover hat er eine frühe eigene Kreidezeichnung ausgewählt, eine Darstellung von Li Bai, dem bedeutendsten Dichter Chinas in der Tang-Dynastie. Man suche nicht nach einem vordergründigen Sinn – und man wird verstehen.
Harth/Fischer/Daemgen: "Confucius Tarif Reduit". Erschienen bei Sporeprint.
(Stefan Michalzik, FR, 10.01.2016)

 

Besprechung to be (in Bad Alchemy 87):
JÖRG FISCHER spielte auch das Zünglein an der Waage und einiges mehr, als ALFRED 23 HARTH und MARCEL DAEMGEN sich Ende November 2014 wiederbegegneten und darüber austauschten, wie das 'Lebben' so gespielt hat seit ihren gemeinsamen Jahren in Imperial Hoot. Harth hatte für Confucius Tarif Reduit (sporeprint 1508-05) Reeds, Pocket Trumpet, Dojirak und den Geist des Dichters Li Bai um sich, Daemgen hantierte mit Electronics & Synthesizer, mit Arbeits-Ethos all inclusive. Neben Duchamp-Spirit gab's in der Hausbar auch Feuerwasser und Rübensaft, um die elektroakustische Symbiose zu fördern. Daemgen schraubt und korgt, bis es knarzt und spotzt, wölkt traumhafte Synthie­wolken, wellt surrende Wellen, lässt einen brausenden 'Hymnus' auf Sankt Feedback ertönen und gelegentlich sogar Beats kaskadieren. Fischer katert und murrt über Fell und Blech, klimbimt, sirrt, trapst mit Filzpantoffeln, drischt eisenhaltiges Bohnenstroh. Und Harth? Harth tutet einem die Tasche voll, köchelt heiße Luft auf Spucke, klappert mit den Klappen, keckert sopranistisch, kaut an Rossschweif und schlürft Bürsten-Borschtsch, er schmust tenoristisch und flötet allerlyrischst, mit raspeliger Echsenzunge oder auch mit gespaltener (in Kirk-Chekasin-Manier?). Und er wirft mehr oder weniger spontane Lyrik ein wie "Haha, die Bodenhaftung, mein Lieber..." oder "Hufeisen sind out". Bei 'The Asteroid Are We' und 'The Art of Explaining Art' ist bläserische Virtuosität Trumpf. Und obwohl sich Harth monoton für 'Kostenloses Vergessen' stark macht, erinnert er doch auch an den Totschlag an der Studentin Tu?çe Albayrak. You can burn Dada, but no one can burn Dada Bhagwan. [BA 87 rbd]
(Bad Alchemy 87, 24.10.2015)

 

Jörg Fischer ist im Grunde ein klassischer Impro-Wiederholungstäter. Mindestens zweimal im Jahr erscheint eine CD, auf der Drummer seinen kompetenten Input zu unterschiedlichsten Besetzungen liefert. Auf »Confucius Tarif Reduit« (erschienen auf Spore Print) hören wir Alfred 23 Harth an diversen Blasinstrumenten und Vocals, Marcel Daemgen an der Elektronik und Jörg Fischer wie gewohnt an den Drums. Die Elektronik in die Improvisation einzubauen, weil sie sowohl klanglich als auch strukturell für Frische und Überraschung sorgt, ist zwar nun wirklich kein allzu neuer Zugang, aber man freut sich doch immer wieder, wenn das Konzept dann tatsächlich klappt – so auch in diesem Fall. Eine klangfarbenfröhliche, einfallsreiche Ensembleleistung, die immer wieder meditative Qualitäten hat und durch die hingetupften Vokaleinschübe von Alfred 23 Harth auch einen originellen Dreh.
(skug - Journal für Musik  21.10.2015)

 

Harth/Fischer/Daemgen
Confucius Tarif Reduit
Sporeprint 1508-05
Although confined to the margins of the Euro-American improvised music scene because of his long residency in Seoul, German multi-reedist/sound manipulator Alfred 23 Harth is far from inactive. In fact, he occasionally shows up overseas to confirm that the creativity for which he was known years ago is still as consistent and illuminating as the eternal flame at Paris’ Arc de Triomphe. Take for instance this 12-track conflagration.
Bringing along his saxophones; pocket trumpet and dojirak, Harth creates an original sound tapestry along with two Wiesbaden-based players: Marcel Daemgen on synthesizer and electronics, who was part of an earlier Harth band; and percussionist Jörg Fischer, who has worked with the likes of Peter Brötzmann and Olaf Rupp. Like a post-modernist artist who alters a canvas with doodads and stickers after the fact, Daemgen later took some of the recorded improvisations and modified, filtered, shortened and thinned-out the sound as well as adding some judicious overdubbing.
Not that this post-production wizardry really alters the program. Much of it is concerned with how inventively Fischer bends habitual time keeping in tandem with the other two’s ideas. Over the course of the disc, the percussionist fuses his rhythmic skills with the others’ aberrant strategies via insistent cymbal pealing, watery rhythmic plops and cunningly displaced clanks and clatters. Electro-sourced wiggles and jiggles plus crackling drones and vibrations make up Daemgen’s intermittent continuum. Meantime sing-song recitations in German or English are as likely to issue from Harth’s side as reed-sources gargles, breaths and cries, all pressed into an undulating exposition. “Patina I” for instance could be the soundtrack of an exhausting play date overseen by a stern caregiver. Here upper partial reed squeezes surmount a percussive din consisting of pops, rattles and clangs, insinuating what may result from giving instruments to a day care class – or a sophisticated free-music ensemble. On “Rübensaft” as well, is Harth murmuring “brushes” or “Russian” as the drummer satisfies the first command with a low-key pulsing.
Concluding on “The Art of Explaining Art” with a stick-in-the-eye-like 1970s-style Free Jazz challenge that’s all harsh saxophone trills, accelerating synthesiser buzzes and connective clip-clops, other pieces demonstrate instrumental as well as atonal cohesion. Probably due to overdubbing, “5 Stunden Wald” comes across as a near-blues battle between two saxophones decisively driven by solid hi-hat clanks and finessed press rolls. Meanwhile the connected “The Asteroid Are We” and “Hymnus” are more outer space than heavenly in execution. This is made explicit as Harth’s reed snorts keep narrowing as if digging a tunnel through a black hole and are propelled forward by pneumatic drill-like whacks from Fisher. As the saxophone improvisations stalls at material so thick it’s almost visual, it takes a cataclysm of synthesized drones to effect a break through. The climatic result is a sustained duet between acoustic and electronic interface.
This CD proves that Harth has lost none of his ability to produce the unexpected, and that Fischer and Daemgen can meet any challenge thrown at them. An all-acoustic session though could really reveal how the three musicians react without adds-ons and processing.
(Ken Waxman, Jazzword, 2016)

 


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