EISLER IM SITZEN / 2010
Presse
Frankfurter Rundschau 25.8.2010
Tim Gorbauch
Lieblingslieder ohne Kabel
Es gibt Themen, die bleiben. Die nie endgültig bearbeitet sind. Die nie sagen: genug jetzt. Für den in Frankfurt lebenden Sänger und Komponisten Oliver Augst ist Hanns Eisler so ein Thema. Immer wieder kehrt er zu ihm zurück, vor allem zu dessen Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht, zu den Liedern, die daraus entstanden. Brecht zitierend sagt Oliver Augst: „Das gesellschaftliche Verantwortungsgefühl ist bei Eisler lustvoll im höchsten Maße. In seinem Werk kann man sich bilden, nach vielen Seiten, widerspruchsvoll. Es verändert den Singenden wie den Hörenden beglückend.“ Locker räumt Brecht hier mit einem Missverständnis auf, das sich offenbar nur schwer aus der Welt schaffen lässt: Dass Eisler ein Komponist war, der sich und seine Musik einer Sache unterordnete und darüber die sinnliche Qualität der Töne vergaß.
Wer genauer hinhört, weiß: Eisler zählt zu den ganz großen Komponisten des 20. Jahrhunderts, noch immer wissen das viel zu wenige. Lustvoll, beglückend, widerspruchsvoll – was Brecht hörte, ist nun auch in Frankfurt zu kriegen. Gemeinsam mit Sven-Ake Johansson, einer Institution der freien Improvisationsmusik, nimmt sich Oliver Augst in seiner von ihm kuratierten Konzertreihe „What is music?“ den Liedern von Brecht/Eisler an.
Die Szene kann man sich ungefähr so vorstellen: Live und unplugged, ohne Mikros, Kabel und doppelten Boden singen sich Augst und Johansson, auf der kleinen Bühne im Raum für Kultur entspannt nebeneinander sitzend, gegenseitig ihre Lieblingslieder von Hanns Eisler vor.
Ganz dezent begleitet der eine den Gesang des anderen. Entweder mit Besen und Stöcken minimal-geräuschhaft auf der Marschtrommel (Johansson) oder mit schlichten 4-stimmigen Akkorden auf einem Kinderkeyboard im Batteriebetrieb (Augst). Eisler im Sitzen also. Brecht hätte das sicher gefallen.
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Sven-Åke Johansson
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