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HYPERGHETTO / 2002
lecture 1: violence
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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.12.2002, Nr. 290, S. 41
Medien
Mörder aller Länder
"Hyperghetto lecture 1: violence" (HR)
Mitunter rüttelt die nüchterne Statistik am stärksten auf.
Zum Beispiel, wenn sie akribisch mitzählt, wie viele Morde an verschiedenen
Orten dieser Welt verübt werden: Im Stadtteil Baixada Fluminense von
Rio de Janeiro, in Berlin, Western Cape, auf der South Side von Chicago oder
in Frankfurt. Unter der Internetadresse www. hyperghetto.de treibt seit Anfang
November eine Web-Installation von Christoph Korn derlei traurige Empirie.
Anhand eines recherchierten statistischen Mittelwerts hält Korn in Relation
zu einer Zeitachse fest, wann wo welche Zahl von Morden zu beklagen ist.
Unablässig ticken die Zahlenkolonnen voran -von London bis Sydney entsteht
eine kriminalistische Weltkarte, die nicht durch Ländergrenzen eingeteilt
wird, sondern durch numerische Unterschiede. 189 Morde geschehen pro hunderttausend
Einwohner in Baixada im Jahr, 193 in Kapstadt. Bei einigen Millionen Einwohnern
kommt da Erschütterndes zusammen.
Korns Internetseite ist Teil einer künstlerischen Arbeit, die heute
abend ihre ergänzende Fortsetzung im Radio findet. Gemeinsam mit Oliver
Augst wird Korn seine Zahlen in Sprache umsetzen. Es wird Stille herrschen,
wenn gerade kein Mord geschieht, theoretische Texte werden Informationen
geben zum Postkolonialismus, vor dessen Hintergrund das internationale Arbeitsprojekt "migration,
hybrid, violence" entstand. Das Stück "Hyperghetto lecture
1: violence" des Hessischen Rundfunks ist Teil dieser Initiative, die
sich mit Filmen, Hörspielen, elektronischem Musiktheater und CD-Produktionen
dem Problem der sogenannten Hyperghettos, der in allen Zentren dieser Welt
vorkommenden Slums und Favelas widmet. Gleichzeitig zur Radioausstrahlung
laufen die Zahlen im Internet selbstverständlich weiter. Die Künstler
nutzen die Seite wie eine Partitur für die akustische Realisation -
für die Hörer ist sie eine Art Bühnenbild. Nicht allein als
politische Kunst, sondern auch als mediales Experiment ist Korns und Augsts
Stück ein Ereignis.
FRANK OLBERT
Heute, 23.05 Uhr, bei HR 2 (www.hyperghetto.de)
Alle Rechte vorbehalten. (c) F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Die Botschaft des Mordzählers
Hyperghetto: Internet-Installation und Rundfunk
Live-Performance auf HR 2
Von Hans-Jürgen Linke
Medellin läge, wenn es ein Guinness-Buch der Mordrekorde gäbe,
mit 210 Morden pro 100 000
Einwohner pro Jahr ganz vorn, dicht gefolgt von Baixada Fluminense, einem
Stadtteil von Rio de
Janeiro (189 Morde pro 100 000 Einwohner pro Jahr) und Natal in Südafrika
mit immer noch
beeindruckenden 176. Moskau, die kriminellste Stadt Europas, läge weit
abgeschlagen mit 25.6 sogar
noch hinter New York (28.3). Stockholm zierte das Ende der Liste mit 0,3
hinter London (1,0), und
unser Berlin wartet immerhin mit 2,9 auf.
Was das soll? Das sieht man, wenn
man die Website www.hyperghetto.de aufsucht. Dort läuft zunächst
eine Reihe von, ja, was ist das? Sind es Mordzähler? Nach dem Prinzip
des Kilometerzählers wird dokumentiert,
wann statistisch gesehen in welcher Stadt wieder ein Mord fällig ist.
Was das wirklich soll, erfährt
man, wenn man oben links auf der Seite auf "theory" klickt. Dann
kann man zum Beispiel lesen: "Während der Kolonialherr oder der
Polizist den Kolonisierten den ganzen Tag lang ungestraft schlagen, beschimpfen,
auf die Knie zwingen kann, wird derselbe Kolonisierte
beim geringsten feindlichen oder aggressiven Blick eines anderen Kolonisierten
sein Messer ziehen. Denn die letzte Zuflucht des Kolonisierten besteht darin,
seine Würde gegenüber seinesgleichen zu verteidigen. (.
. .) Der Kolonisierte stürzt sich mit Haut und Haaren in derartige Racheakte
(. . . ). Wir haben es hier eindeutig mit einer kollektiven Form von Ersatzhandlungen
zu tun. Brüder vergießen ihr Blut, als
verhülfe ihnen ein solches Handeln dazu, das wahre Hindernis zu übersehen
(. . .)." Das schrieb Frantz
Fanon 1966 in Die Verdammten
dieser Erde.
Hyperghetto ist kein theoretisches Diskussionsforum, sondern
eine beunruhigende
Internet-Installation, voller Links und Listen, voller alter und neuer Texte,
Hinweise und
Nachdenklichkeiten zum Thema Postkolonialismus. Man kann darin fündig
werden, aber vor allem kann
man sich verlieren, die Uferlosigkeit des Diskurses spüren und damit
auch das unfassbare Ausmaß
dessen, was da geschieht.
Insofern ist diese materialreiche Internet-Installation
ein legitimes künstlerisches Produkt, genährt
von genug Zorn und Wissen und historischem Bewusstsein, um nicht bei leichtfertigen
Handlungsanweisungen zu landen.
Und morgen, Freitag, gibt es Hyperghetto live im Hörfunk: Die Frankfurter
Künstler Oliver Augst und
Christoph Korn nehmen ihren polyrhythmischen Mordzähler als Partitur
für eine musikalische
Performance, deren Material aus dem diskursiven Umfeld der Theorien zu Gewalt
und Postkolonialismus
stammt, das auf der Website erreichbar gemacht wird. Radio hören an
einem späten Freitagabend, das
kann morgen eine sehr spannende Beschäftigung sein.
•
www.hyperghetto.de, Live-Performance morgen,
Freitag, 23 bis 0 Uhr in HR 2.
Risk 1/04 (NL)
Heftig! Laat een onwisbare indruk achter.
Met het project HYPERGHETTO proberen Oliver Augst en Christoph Korn de ellende
uit sloppenwijken door middel van beelden en elektronische muziek te vertalen
naar hun publiek. De naam zegt het al. Alles wat men kan aantreffen in den
getto's, favelas en slums van Rio de Janeiro, Kaapstad, Mexico City en andere
grote steden van de Derde Wereld, inspireet deze groep tot het maken van
hun muziek. Dit zal visueel worden ondersteund door middel van een aantal
korte films die achter de uitvoerende muzikanten zullen worden vertoond.
Kom zeker naar HYPERGHETTO, want het laat een onwisbare indruk achter.
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Konzept-Text
Textauszug Frantz Fanon
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