AUFSTEHN, STUHL KAPUTT MACHEN, YOU YELLOW YOU / 2008
Kippenberger gehörte zu den schillerndsten Persönlichkeiten der Kunst der
80er und 90er Jahre und bis heute haben die jungen Avantgarden an seinem
künstlerischen Erbe zu knabbern: Martin Kippenberger. Für die einen
provokant, anmaßend und egozentrisch. Für die anderen intellektuell,
kritisch und zuweilen moralisch. Einer, der im Kunstkarussel der 80er aufräumte
und polarisierte. Und einer, der mit seinen bizarren Spielchen die Inszenierung
seiner Selbst perfekt beherrschte. Ob in Berlin, Köln oder Wien: Die
Nächte gehörten ihm. Essen und Trinken wurden kurzerhand mit
geschenkten Bildern erkauft. Keine Stille, Langeweile oder Einsamkeit. Denn
stets war er unerschöpflich unterwegs als Impresario, Tänzer und
Entertainer. Die Nacht wurde flugs zum Tag gemacht, hoch die Tassen, durchgetanzt
und jedem Rock hinterher.
So exzessiv sein Leben, so vielfältig auch sein künstlerisches
Werk. Wie kein anderer suchte und fand Kippenberger in den unterschiedlichsten
Medien ein Zuhause. Neben Malerei, Skulpturen und Installationen entstanden
Performances, Bildgrafien, Bücher und Schallplatten. Alles im steten
Austausch und in vielfältigen Bezügen miteinander vernetzt. Wichtige
Einflüsse kamen aus der Subkultur der Punkmusik, für die er in
den 80ern als Geschäftsführer des Berliner Clubs SO 36 die Tür öffnete.
Bald darauf entstand auch die Idee zur Tanzband "Night and Day" um
Rüdiger Carl, Sven-Åke Johansson und Alexander von Schlippenbach,
die fortan zur
angesagten gesellschaftlichen Nummer in Künstlerkreisen wurde. Sie spielten
für Günther Förg, Baselitz und Ulrich Rückriem. Und nicht
zuletzt lernte Rüdiger Carl seine spätere Frau Bärbel Grässlin
kennen, die die ganze Bande in ihrer Frankfurter Galerie ausstellte.
Mit seiner Kunst die ästhetischen Grenzen der bürgerlichen Moral
ignorierend, attackierte Kippenberger die eingefahrenen Ideale von Gesellschaft
und Kunstbetrieb.
Und immer wieder ein wichtiges Thema: Die eigene Rolle als Künstler.
Bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1997 spielte er die Tour de Force zwischen
Erfolg und Scheitern, zwischen Exzess und Absturz.
Neben dem Enfant terrible, das in ungezügelten Ausbrüchen abstieß und
provozierte, existierte für wenige Freunde jedoch auch ein Kippenberger,
der verletzliche Züge offenbarte. Einer, der Angst vor der Einsamkeit
hatte und nie allein nach Hause wollte. Und einer, der trotz allem Tamtam
feinfühlige Briefe, Gedichte und Liedtexte schrieb. Erst kürzlich
im Suhrkamp Verlag veröffentlicht, geben sie Einblick in ein turbulentes
Seelenleben.
Wortspiele und Kalauer zogen sich auch durch das Repertoire seiner öffentlichen
Auftritte. In endlosen Sitzungen haute er seinem Publikum Witze um die Ohren
und brach stets vor der Pointe ab, um später am Abend von neuem zu beginnen.
Dabei ging er gerne an die Grenzen der Belastbarkeit - an die des Publikums
als auch an die eigenen.
Und dennoch: Zwischen schillernd und glamourös,
pornografisch und intelligent, wortreich und blöde - seine intellektuelle
Bandbreite war weit. Die von ihm verehrte Gisela Stelly beschreibt ihn als "Jongleur
der Bruchstücke". Als einen, der aus Fragmenten etwas Ganzes schaffen
konnte.
"KIPPENBERGER HÖREN" verbindet einzelne Texte, Gedichte und
die Stimme des Künstlers mit Originalmusik von Augst, Carl und Johannson
zu einer dichten Collage um das Phänomen Martin Kippenberger. (Text:
Philipp Dieterich)
Mit
Sven-Åke Johansson (Sprache und Gesang / Perkussion / Autohupen)
Rüdiger Carl (Sprache, Gesang und Witze / Akkordeon)
Oliver Augst (Sprache und Gesang / Electronics)
Originalmusik Komposition: Augst / Carl / Johansson
Tonmeister RBB: Kaspar Wollheim
Mix und Realisation: Augst / Carl
Quellen
Text:
"Jazz zum Fixen" von Calma Trio (Carl / Kippenberger / Albert Oehlen)
Galerie Grässlin Frankfurt, 1989 und
"Martin Kippenberger / Wie es wirklich war / Am Beispiel Lyrik und Prosa",
Herausgegeben von Diedrich Diederichsen, Suhrkamp Verlag, 2007
Originalkompositionen:
"K-Noise" Augst/Carl, D: 4:55 Min.
"K-Streichbecken" Johansson, D: 5:20 Min.
"K-Streichkiste" Johansson, D: 3:20 Min.
"K-Streich-Akk 01" Carl/Johansson, D: 4:10 Min
"K-Streich-Akk 02" Carl/Johansson, D: 3:25 Min
"K-Akk Solo 01" Carl, D: 5:10 Min.
"K-Akk People de la Muse" Carl, D: 5:30 Min.
Lieder gesungen von Martin Kippenberger:
"Bang Bang (I shot my baby down)" v. Nancy Sinatra, D: 3:15 Min
"Yuppi Du" v. Adriano Celentano, 2:30 Min
Zusätzliche Musikeinspielungen:
Titelmelodie von dem Film "Dr. Schiwago" v. Maurice Jarre, D: 2:20
Min.
"Problems" v. Sex Pistols, D: 1:45 Min.
"That's Amore" v. Harry Warren, D: 2:00 Min.
Jazz Standarts vom "Golden Kot Quartett" alias "Night and
Day" mit Rüdiger Carl (Sax) / Sven-Åke Johansson (Drums)
/ Alexander v. Schlippenbach (Piano) / Jay James Oliver (Bass)
"Cheek to Cheek" v. I. Berlin, D: 3:23 Min.
"Autumn in New York" v. V. Duke, D: 4:04 Min
"I remember you" v. J. Mercer, D: 3:10 Min
"Old deevil moon" v. B. Lane, D: 3:14
RÜDIGER CARL
Stimme, Akkordeon
Rüdiger Carl ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Musik,
die aus dem europäischen Free Jazz hervorgegangenen ist.
Seit 1968 arbeitete er koninuierlich mit eigenen Gruppen im Bereich improvisierte
und konzeptuelle Musik.
U.a. mit Irene Schweizer in diversen Kombinationen, Bergisch-Brandenburgisches
Quartett, Duette mit Hans Reichel, Sven-Ake Johansson und Mayo Thompson;
Swing Dance Band Night and Day, COWWS Quintett, Canvas Trio, Sptember Band,
Jailhouse, Duo Gold, Trio Blank.
Konzertorganisation für "Musik im Portikus", Frankfurt; Kurator
des "pol festival neue musik" (mit Oliver Augst und Christoph Korn)
Seit 1973 kontinuierliche Platten-/CD-Produktion u. a. für FMP Berlin,
GROB Köln
Sven-Åke Johansson
Stimme, Perkussion
Komponist und Musiker, Poet und bildender Künstler, Autor und Initiator
verschiedener Musikproduktionen. Zahlreiche Ausstellungen, Buchpublikationen
und nahezu 40 Platten-und CD-Einspielungen.
Er war stilbildend innerhalb der freien europäischen Improvisationsmusik.
Bekannt ist er vor allem als virtuoser Schlagzeuger. In seiner künstlerischen
Praxis hat sich Johansson durch überkommene Gattungsgrenzen jedoch nie
beeindrucken lassen. Er transformiert ganz alltägliche Dinge zu Klangobjekten,
verarbeitet sie zu Assemblagen und Bildobjekten, die so fast unbemerkt die
Grenze zur bildenden Kunst überschreiten.
Kompositionen u. a.: "Seewetter 69" (Radiohörstück im
Auftrag von Deutschlandradio, 2001), sowie "Polis, Wachs und Pomade" (Kammerstück
für Streicher, Bläser und Stimme), Kompositionsauftrag
des SWR, Uraufführung: Donaueschinger Musiktage 2001.
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