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Kippenberger gehörte zu den schillerndsten Persönlichkeiten der Kunst der 80er und 90er Jahre und bis heute haben die jungen Avantgarden an seinem künstlerischen Erbe zu knabbern: Martin Kippenberger. Für die einen provokant, anmaßend und egozentrisch. Für die anderen intellektuell, kritisch und zuweilen moralisch. Einer, der im Kunstkarussel der 80er aufräumte und polarisierte. Und einer, der mit seinen bizarren Spielchen die Inszenierung seiner Selbst perfekt beherrschte. Ob in Berlin, Köln oder Wien: Die Nächte gehörten ihm. Essen und Trinken wurden kurzerhand mit
geschenkten Bildern erkauft. Keine Stille, Langeweile oder Einsamkeit. Denn stets war er unerschöpflich unterwegs als Impresario, Tänzer und Entertainer. Die Nacht wurde flugs zum Tag gemacht, hoch die Tassen, durchgetanzt und jedem Rock hinterher.

So exzessiv sein Leben, so vielfältig auch sein künstlerisches Werk. Wie kein anderer suchte und fand Kippenberger in den unterschiedlichsten Medien ein Zuhause. Neben Malerei, Skulpturen und Installationen entstanden Performances, Bildgrafien, Bücher und Schallplatten. Alles im steten Austausch und in vielfältigen Bezügen miteinander vernetzt. Wichtige Einflüsse kamen aus der Subkultur der Punkmusik, für die er in den 80ern als Geschäftsführer des Berliner Clubs SO 36 die Tür öffnete. Bald darauf entstand auch die Idee zur Tanzband "Night and Day" um Rüdiger Carl, Sven-Åke Johansson und Alexander von Schlippenbach, die fortan zur
angesagten gesellschaftlichen Nummer in Künstlerkreisen wurde. Sie spielten für Günther Förg, Baselitz und Ulrich Rückriem. Und nicht zuletzt lernte Rüdiger Carl seine spätere Frau Bärbel Grässlin kennen, die die ganze Bande in ihrer Frankfurter Galerie ausstellte.

Mit seiner Kunst die ästhetischen Grenzen der bürgerlichen Moral ignorierend, attackierte Kippenberger die eingefahrenen Ideale von Gesellschaft und Kunstbetrieb.
Und immer wieder ein wichtiges Thema: Die eigene Rolle als Künstler. Bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1997 spielte er die Tour de Force zwischen Erfolg und Scheitern, zwischen Exzess und Absturz.

Neben dem Enfant terrible, das in ungezügelten Ausbrüchen abstieß und provozierte, existierte für wenige Freunde jedoch auch ein Kippenberger, der verletzliche Züge offenbarte. Einer, der Angst vor der Einsamkeit hatte und nie allein nach Hause wollte. Und einer, der trotz allem Tamtam feinfühlige Briefe, Gedichte und Liedtexte schrieb. Erst kürzlich im Suhrkamp Verlag veröffentlicht, geben sie Einblick in ein turbulentes Seelenleben.

Wortspiele und Kalauer zogen sich auch durch das Repertoire seiner öffentlichen Auftritte. In endlosen Sitzungen haute er seinem Publikum Witze um die Ohren und brach stets vor der Pointe ab, um später am Abend von neuem zu beginnen. Dabei ging er gerne an die Grenzen der Belastbarkeit - an die des Publikums als auch an die eigenen.

Und dennoch: Zwischen schillernd und glamourös, pornografisch und intelligent, wortreich und blöde - seine intellektuelle Bandbreite war weit. Die von ihm verehrte Gisela Stelly beschreibt ihn als "Jongleur der Bruchstücke". Als einen, der aus Fragmenten etwas Ganzes schaffen konnte.

"KIPPENBERGER HÖREN" verbindet einzelne Texte, Gedichte und die Stimme des Künstlers mit Originalmusik von Augst, Carl und Johannson zu einer dichten Collage um das Phänomen Martin Kippenberger. (Text: Philipp Dieterich)

Mit
Sven-Åke Johansson (Sprache und Gesang / Perkussion / Autohupen)
Rüdiger Carl (Sprache, Gesang und Witze / Akkordeon)
Oliver Augst (Sprache und Gesang / Electronics)

Originalmusik Komposition: Augst / Carl / Johansson
Tonmeister RBB: Kaspar Wollheim
Mix und Realisation: Augst / Carl

Quellen

Text:
"Jazz zum Fixen" von Calma Trio (Carl / Kippenberger / Albert Oehlen)
Galerie Grässlin Frankfurt, 1989 und
"Martin Kippenberger / Wie es wirklich war / Am Beispiel Lyrik und Prosa", Herausgegeben von Diedrich Diederichsen, Suhrkamp Verlag, 2007

Originalkompositionen:
"K-Noise" Augst/Carl, D: 4:55 Min.
"K-Streichbecken" Johansson, D: 5:20 Min.
"K-Streichkiste" Johansson, D: 3:20 Min.
"K-Streich-Akk 01" Carl/Johansson, D: 4:10 Min
"K-Streich-Akk 02" Carl/Johansson, D: 3:25 Min
"K-Akk Solo 01" Carl, D: 5:10 Min.
"K-Akk People de la Muse" Carl, D: 5:30 Min.

Lieder gesungen von Martin Kippenberger:
"Bang Bang (I shot my baby down)" v. Nancy Sinatra, D: 3:15 Min
"Yuppi Du" v. Adriano Celentano, 2:30 Min


Zusätzliche Musikeinspielungen:
Titelmelodie von dem Film "Dr. Schiwago" v. Maurice Jarre, D: 2:20 Min.
"Problems" v. Sex Pistols, D: 1:45 Min.
"That's Amore" v. Harry Warren, D: 2:00 Min.
Jazz Standarts vom "Golden Kot Quartett" alias "Night and Day" mit Rüdiger Carl (Sax) / Sven-Åke Johansson (Drums) / Alexander v. Schlippenbach (Piano) / Jay James Oliver (Bass)
"Cheek to Cheek" v. I. Berlin, D: 3:23 Min.
"Autumn in New York" v. V. Duke, D: 4:04 Min
"I remember you" v. J. Mercer, D: 3:10 Min
"Old deevil moon" v. B. Lane, D: 3:14

RÜDIGER CARL
Stimme, Akkordeon
Rüdiger Carl ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Musik, die aus dem europäischen Free Jazz hervorgegangenen ist.
Seit 1968 arbeitete er koninuierlich mit eigenen Gruppen im Bereich improvisierte und konzeptuelle Musik.
U.a. mit Irene Schweizer in diversen Kombinationen, Bergisch-Brandenburgisches Quartett, Duette mit Hans Reichel, Sven-Ake Johansson und Mayo Thompson; Swing Dance Band Night and Day, COWWS Quintett, Canvas Trio, Sptember Band, Jailhouse, Duo Gold, Trio Blank.
Konzertorganisation für "Musik im Portikus", Frankfurt; Kurator des "pol festival neue musik" (mit Oliver Augst und Christoph Korn)
Seit 1973 kontinuierliche Platten-/CD-Produktion u. a. für FMP Berlin, GROB Köln

Sven-Åke Johansson
Stimme, Perkussion 
Komponist und Musiker, Poet und bildender Künstler, Autor und Initiator verschiedener Musikproduktionen. Zahlreiche Ausstellungen, Buchpublikationen und nahezu 40 Platten-und CD-Einspielungen.
Er war stilbildend innerhalb der freien europäischen Improvisationsmusik.
Bekannt ist er vor allem als virtuoser Schlagzeuger. In seiner künstlerischen Praxis hat sich Johansson durch überkommene Gattungsgrenzen jedoch nie beeindrucken lassen. Er transformiert ganz alltägliche Dinge zu Klangobjekten, verarbeitet sie zu Assemblagen und Bildobjekten, die so fast unbemerkt die Grenze zur bildenden Kunst überschreiten.
Kompositionen u. a.: "Seewetter 69" (Radiohörstück im Auftrag von Deutschlandradio, 2001), sowie "Polis, Wachs und Pomade" (Kammerstück für Streicher, Bläser und Stimme), Kompositionsauftrag des SWR, Uraufführung: Donaueschinger Musiktage 2001.


 

 

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