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EISLER PROSPEKT / 2000
e-mails Augst/Korn 98/99
Lieber Christoph,
Was ist das denn nun für eine Aufgabe: ein Hörspiel machen? Was
bedeutet das für uns als Komponierende, als Musiker ? Da kommt doch
sowas mit hinein wie: eine Geschichte erzählen, historische, politische
, soziale Aspekte des Gegenstandes beleuchten etc..
Es kommt also die Sprache noch mit hinein und damit die Frage: wie verwendet
man sie?: erzählend, dialogisch, szenisch, konkret, dokumentarisch,
klanglich....
Wenn ich auch Deine Spracharbeiten richtig verstehe, so arbeiten sie mehr
mit dem Sprachklang, als dem semantischen Inhalt, mehr mit einer diffussen
Konnotation von Bedeutungen: man kann diese Arbeiten von der Mitte aus zum
Anfang hin lesen oder um einen beliebigen Punkt herum abtasten.
Nun, es könnte hier auch etwas ganz anderes schlüssig sein: eine
Kombination von Sprachklang, Dokumentation, konkret und und und. Ja, in diesem
Punkt sollten wir Klarheit gewinnen.
Gruß vom OA
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Lieber Oliver,
gestern war ich im Ballett, ein Forsythestück. In jedem Moment variiert
die Sprache da. Es ist als ob im kleinsten Moment unzählige Bestandteile
desselben Phänomens gezeigt würden.
Und dann bei Brecht ganz konkret und brutal, 1 zu 1 : Und weil der Mensch
ein Mensch ist.......Klasse!
Bis morgen
Christoph
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Lieber Christoph,
Der Eisler, Brecht, Busch, die waren ja, wenn man so will, Stars innerhalb
der Arbeiterbewegung vor 33. Die haben ganze Säle gefüllt, da war
wirklich was am Brodeln, das war eine Massenbewegung. Im Exil scheint das
alles abhanden gekommen. Jede historische Möglichkeit, die auf eine
Umwälzung hin deuten könnte fehlt , die konkrete Arbeit am Sozialismus
ist nicht in Sicht und Hitler .....
Aber genau da, wo der Eisler so depotenziert und schwach erscheint ist das
Wesentliche vielleicht am Subtilsten formuliert worden......Verstehst Du,
Ich meine damit auch unseren eigenen Blick....ein Schauen vom Schwachen,
Minoritären her.
Was meinst Du?
bis bald grüßt Dich Oliver
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Lieber Oliver,
das ist ein wichtiger Gedanke. Dieses, was Du minoritär nennst, zeigt
sich ja auch in den Exil-Abeiten vom Eisler selbst. Etwa diese ganzen "leisen" Exillieder
,im Gegensatz zu den Kampfliedern vor 33. Die umkreisen doch immer wieder
den utopischen Kern, der in der Person Eislers und seinem Werk unerschütterbar
aufbewahrt bleibt: Das Recht und das Bedürfnis auf Unversehrtheit, Glück,
Sorge, Liebe, Scherz.
Hör mal den "Pflaumenbaum". Das Lied mit dem Text von Brecht
beeindruckt mich immer wieder aufs Neue. Der Pflaumenbaum ist klein und der
mag kaum wachsen und der hat gar keine Früchte, man schützt ihn
mit einem Zaun, damit ihn keiner umtreten möge. Und ganz am Schluss
fragt der Brecht dann: Woran erkennt man denn nun den Pflaumenbaum eigentlich?:......
..........."Man kennt ihn an dem Blatt."
War schön mit euch gestern
Christoph
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Lieber Christoph,
heute lese ich in der FR einen Artikel über den Fotografen Clemens Kalischer
(geb.1921). Der Kalischer entkam den Nazis nach Amerika und photografierte
dort vor allem "Displaced Persons" (welch ein treffender Begriff)
bei der Ankunft in Ellis Island: Gerettete, Gezeichnete, Propheten.
OA
Lieber Oliver
übrigens denke ich, ein Begriff in dessen Licht wir weiterhin gezielter
den Eisler noch wahrnehmen sollten, ist der Begriff der "Trauer" und
der "Trauerarbeit". Ich gewinne immer mehr die Einsicht, dass dies
ein ganz zentraler Begriff bei Eisler ist.
Da gibt es einen sehr guten Aufsatz von Eckard John in: ´s müßt
dem Himmel Höllenangst werden.
Der John betrachtet den Eisler unter anderem auch sehr kritisch. Ein großer
Teil der Eislerrezeption scheintmir genau da blind zu sein: Das Schweigen
Eislers zu Stalin etwa scheint ein Tabuthema.
Grüße vom Christoph
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Lieber Christoph,
was meinst Du übrigens hätte der Eisler zu unserem Gebrauch der
Elektronik gesagt?
Er arbeitete ja ausschließlich mit dem klassischen Instrumentarium
, alle Mittel und Verfahrensweisen der populären Unterhaltungsmusik
hat er abgelehnt......irgendwie doch ganz Schönberg-Schüler.....
Gruß vom Oliver
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Lieber Oliver,
der Eisler ist eben ein wunderbar schillernder Konservativer.......
ate logo grüßt Dich Christoph
Presse