24 STUNDEN AUS DEM LEBEN
EINER FRAU / 2004
von Stefan Zweig
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Offenbach Post 8. Mai 2004
Intimes Theater um Zweig-Novelle
Schauspielerin Michaela Ehinger in "24 Stunden aus dem Leben einer Frau"
Eine schicksalhafte Begegnung: Eine Frau im Zustand innerer Leere beobachtet
einen Mann im Spielkasino, ist wie gebannt von seinen Händen, die einem
Spiegel seiner angespannten Seele gleichen. Der Mann verliert ruinös,
sichtlich haltlos verlässt er den Saal, womöglich im Stande, sich
etwas anzutun. Impulsiv fogt ihm die Frau, nimmt die Rolle eines rettenden
Engels ein, weiß nicht recht wie ihr geschieht -und verbringt eine Nacht
mit dem Unbekannten. Sie imaginiert sich eine gemeinsame Zukunft, doch ebenso
schicksalhaft, wie die beiden zusammengetroffen sind, werden sie auseinander
getrieben. Die Frankfurter Schauspielerin Michaela Ehinger, Mitbegründerin
des zwischen Musik und Theater agierenden Kollektivs "TEXTxtnd",
hat sich für ein Solo im Mousonturm die Novelle "24 Stunden aus dem
Leben einer Frau" von Stefan Zweig vorgenommen. Das Ambiente ist ein japanisches.
Eine für dortige Häuser charakteristische, lichtdurchlässige
Papierwand bildet den Hintergrund des von Jule Dohrn-van-Rossum entworfenen
Raums, die an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung studiert. Mit
Sitzkissen für die Zuschauer belegte Stufen flankieren an drei Seiten
ein schwarzes Bodentuch. Die Anmutung ist eine meditative. Der Kopf, das Bewusstsein
soll frei sein für den Text. Denn um den geht es Michaela Ehinger zuallererst;
um seine Musikalität, seinen Rhythmus. Stefan Zweig war ein von der Erzähltechnik
her sehr konventioneller Autor, indes ein brillianter Stilist. Seine Texte
sind perfekt gearbeitet, greifen aber tief in Schichten des Unterbewusstseins,
der Erinnerung. Ihnen ist eine musikalische Qualität eigen, die Michaela
Ehinger sehr schön zum Vorschein zu bringen versteht. Der Vortrag der
Novelle spaltet sich in einen auf der Bühne gesprochenen Teil und in Anteile,
die von einem Vinyl-Plattenspieler kommen. Die einem zweiten Plattenspieler
zugeordnete Musik zwischen Klassik, Rock und Improvisation des Offenbacher
Komponisten Marcel Daemgen bildet eine weitere Schicht. Dieser gut eine Stunde
währende Theaterabend ist bis ins Kleinste fein austariert - mit einer
ganz speziellen, sehr weiblichen Handschrift.
Stefan Michalzik
Frankfurter Allgemeine Zeitung 8. Mai 2004
Zen oder Leidenschaft
Mousonturm: Michaela Ehinger
Was hat die japanische Kunst des Blumensteckens mit den Spielsalons von Monte
Carlo zu tun? Das kann nur Michaela Ehinger vom Künstlerkollektiv "TEXTxtnd"
wissen, die jetzt in der Studiobühne des Mousonturms
eine Novelle von Stefan Zweig mit dem Ikenobo-Stil des Ikebana assoziiert hat.
Die Frankfurter Schauspielerin berichtet von "24Stunden aus dem Leben einer
Frau" und steckt dabei Blumen in eine Schale: rot wie die Leidenschaft, weiß wie
die Unschuld und darunter Blätter, grün
wie die
Hoffnung, die sich für das erzählende Ich nicht erfüllt. Denn
die Engländerin, die gewähnt hatte, einen jungen polnischen Hasadeur
von seiner selbstmörderischen Spielsucht kuriert zu haben, wird selbst
Opfer ihrer erotischen Leidenschaft, und der Gerettete kehrt ungeachtet seines
frommen Gelübdes an den Spieltisch zurück. Bühnenbildnerin Jule
Dohrn-van-Rossum hat die Spielfläche in einen japanischen Kultraum verwandelt:
Lichtdurchlässige Papierwände begrenzen ihn im Hintergrund, schwarzer
Stoff deckt den Boden, zwei Stelen tragen je einen Plattenspieler, und das
Ikebana-Besteck liegt in einer hinteren
Ecke bereit. Um diesen rechteckigen Opferbezirk gruppiert sich das Publikum
auf flachen Stufen ohne Rückenlehne, aber auf weichen Kissen, um einer
Zeremonie des Wortes beizuwohnen. Ehinger, in transparenter Bluse und langem
schwarzem Rock über den bloßen Füßen,
schreitet wie eine Hohepriesterin des Zen-Buddhismus einher, läßt
gelegentlich die Plattenkonserve für sich sprechen, wenn sie gerade andächtig
mit den Blumen hantiert, und tanzt schwerelos in der Choreographie von Christine
Bürkle
zu Musik von Marcel Daemgen. Aus dem Kontrast zwischen der Einfachheit des
Zen und monegassischer Opulenz, stillen Blume und dröhnenden Leidenschaften
treibt die Schauspielerin die seelische Plastizität der Zweigschen Sprache
hervor. c.s.
Nichts vom Groben
Michaela Ehinger erzählt "24 Stunden
aus dem Leben einer Frau"
VON JUDITH VON STERNBURG
Michaela Ehinger ist elegisch gestimmt. Zart gleiten ihre Arme durch das Halbdunkel,
zart sind die Spitzen ihrer Bluse, zart kringeln sich die Locken der ziemlich
geschickt hochgesteckten Haare. Michaela Ehinger ist diesmal eine feine Dame,
die in ihrem Salon, hinten beschlossen von einer Papierwand (Bühne: Jule
Dohrn-van Rossum), Ikebana betreibt, Schallplatten in Gang setzt und inne hält,
bis die Stille surrt und quält.
Während die Dame auf der Studiobühne des Mousonturms also eine Stunde
lang goldfarbene Schächtelchen öffnet, mit einem Silberzängchen
Stängelchen abknipst, reihenweise exotische Blumen steckt, erzählt
sie eine einschneidende Geschichte aus ihrem Leben. Sie steht in Stefan Zweigs
Erzählungsband Phantastische Nacht unter dem Titel 24 Stunden aus dem
Leben einer Frau. Darin berichtet Mrs. C., älter als die Schauspielerin,
bei der die Erinnerung also viel frischer zu sein scheint, wie sie in Monte
Carlo einem Spieler folgt, mit ihm eine Nacht und einen Tag verbringt, ihn
in seine Heimat begleiten und ihr Leben über den Haufen werfen würde.
Aber der Spieler spielt am Abend wieder.
Die Handlung gestaltet sich damit so bitter wie vorhersehbar. Michaela Ehingers
Stimme ist aber so licht
wie unverbindlich. Ihr Ton ist der einer Konversation, egal ob sie spricht
oder ob ihre Stimme aus einem der beiden Plattenspieler kommt, was der Frau
mehr Zeit für ihre Blumen lässt. Manchmal souffliert die Platte der
Schauspielerin, manchmal ist es umgekehrt. Niemals aber lässt sich Michaela
Ehinger zu einer Heftigkeit hinreißen. Den schroffen Anteil des Endes
- der ertappte Mann schnauzt sie an und wie - erzählt sie nicht. Das ist
auch nicht elegisch, sondern grob. Michaela Ehinger ist kurz fast heiter. Ein
Plattenspieler spielt jetzt den Schlager Eine Nacht in Monte Carlo (sonst kommt
verschrobene Salonmusik von Marcel Daemgen heraus). Das Glück ist zum
Greifen nah und Lichtjahre entfernt. Das hat naturgemäß eine enervierende
Seite. Mousonturm Frankfurt, Studio: 8., 9.5., 21 Uhr,
Karten-Tel. 069 / 40 58 95 20.