SCUM
/ 2009
Valerie Solanas' S.C.U.M. MANIFEST aus dem Jahr 1968 steht diffus zwischen
Kunst und sich radikalisierender politischer Agitation inklusive Aufruf
zum Terror. Der Text verstärkt und verzerrt sein feministisches
Anliegen wie ein überdimensionierter Gitarren-Amp. Dabei war S.C.U.M.
eine Bewegung ohne Relevanz und ohne Anhänger. Als Sprachrohr ihrer
fiktiven „Society for Cutting Up Man“/ „Gesellschaft
zur Vernichtung der Männer“ (deren einziges Mitglied sie war)
kreierte Solanas eine rauschhafte Sprache der Slogans und Anklagen. Voller
Humor, treffender Gesellschaftsanalyse und inbrünstiger Kapitalismuskritik
ist dieses Manifest zugleich abstoßend in seiner Menschenverachtung
und schlicht falsch in den politischen Schlussfolgerungen. Dieser Zukunfts-Entwurf
und kraftvolle Aufruf, dieser anrührende Traum von Gemeinschaft
und weiblicher Solidarität, dieser psychotische Abgrund, diese Verirrung,
leiht der neuen Produktion vom Electronic Music Theater ihren Titel.
SCUM ist ein Hybrid aus Konzert und Performance, der ein radikal subjektives
und unvollständiges Archiv der 60-er Jahre entwirft. Der Fokus der
fragmentierten Trash-Rock-Oper liegt auf dem Moment, in dem das große
Jahrzehnt des „summer of love“ in Gewalt umkippt.
Die Musik und Kunst der 60-er Jahre ist untrennbar mit dieser Bewegung
des Aufbegehrens gegen Militarismus, Rassismus und Sexismus verbunden.
In Amerika mündete diese Bewegung in die Untergrund- und Terrorgruppe „The
Weatherman“, in Deutschland formierte sich an ihren Rändern
die „RAF“. Hier kippt Utopie und Protest in Fanatismus und
Gewalt. Die Black Panther ziehen mit Gewehren bewaffnet durch die Strassen.
Zur gleichen Zeit hält Valerie Solanas einen Revolver Kaliber 32
in der Hand. Sie zielt auf Andy Warhol und durchlöchert nacheinander:
Magen, Leber, Milz, Ösophagus, linken Lungenflügel, rechten
Lungenflügel.
Electronic Music Theater
EMT aus Frankfurt arbeitet als Regie-, Kompositions- und Aufführungskollektiv
an den Schnittpunkten von Musiktheater, Komposition, Installation, Theorie
und Text. Musiktheater als Behauptung und Versuchsapparat.
Szenisches Material, Sprache und Songs basieren auf einem eigens für
die jeweilige Produktion angefertigten Text- und Klangarchiv und dessen
elektronischer Verfremdung. Von der improvisierten Musik herkommend sind
EMT einer herrschaftsfreien Bühnen-Arbeit ohne Regisseur verpflichtet.
Das Zusammenspiel mit Camilla Milena Fehér und Sylvi Kretzschmar
ist bereits mehrfach erprobt. Kretzschmar/ Fehér verbinden Performance,
elektronische Musik und Tanz. In Tradition der “music concrete” arbeiten
sie einerseits mit akustischem Klangmaterial (Geräuschen) aus der
Alltagsumgebung, andererseits, auch im Geiste des Elektro-Punk, mit elektronisch
generierten Klängen, die sie mit herkömmlichen Musikinstrumenten,
in diesem Fall dem Drumset, Gitarre und Vocals, mischen.
Clip Schweden
Film Premiere (Auszug)
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