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Bericht

Performances im Innenstadtraum Frankfurt
Von und mit · Mia, · Emma, · Sofia, · Ben, · Paul
(Künstler*innengruppe "Namenlos")
Eine Produktion von textXTND
Im Rahmen von: KORREKTUREN. KUNST FÜR DEN ÖFFENTLICHEN RAUM. KUNSTWALK UND DEMOKRATIEKONFERENZ anlässlich des ersten Anne Frank-Tags der Stadt Frankfurt.
Details: partnerschaft-demokratie-ffm.de/korrekturen
Montag, den 12. Juni 2017 / 11:00 bis 18:00 Uhr

Isa, Noah, Dina, Mark
Welche dieser Namen stehen auf der Abiturabgangsliste und welche mussten vor politischer Verfolgung fliehen? Und was macht ein Name in deinem Kopf? Wir wollen im Alltag intervenieren und Grenzen zwischen Menschen sprengen!

Die Teilnehmerinnen der Gruppe „Namenlos“ wollten aus programmatischen Gründen auf die Nennung ihrer echten Namen verzichten. Es wurden stattdessen Künstler-Namen für die Performerinnen gewählt, die sich an einer Internet-Liste der derzeit beliebtesten deutschen Namen orientieren, d.h. es enstand eine hintergründige Anonymisierung.

Die Aktion verlief ganz nach Plan (siehe original Konzept), es gab sehr viele positive bis überraschte Reaktionen seitens der Zuschauer, Menschen allen Alters und Herkunft in der Innenstadt von Frankfurt an einem belebten Einkaufalltag, sehr gute Gespräche, die Mittels verteilten Informationen (Flyer wie schon vorgelegt) begleitet und gestützt wurden. Insgesamt können wir erfreulicherweise sagen, dass die große Arbeit sich gelohnt hat und Mut gemacht hat, auf diese künstlerische Art und Weise weiter zu arbeiten und Menschen mit demokratischen und freiheitlich-offenen Ideen zu konfrontieren und Zeichen gegen Diskriminierung,
gegen Hass und Hetze, für eine demokratische Kultur der Vielfalt zu setzen.

Die Aktionen begannen um 11:00 Uhr am ehemaligen Gefängnis Klapperfeld (als Abschiebeknast bekannter Ort in Frankfurt, heute Ausstellungsraum und Jugendzentrum), sozusagen an einem idealen, passenden, symbolgeladenen Ort. Die Gruppe von Performern transportierte ein Banner, 50 Meter lang, beschrieben mit Namen von Geflüchteten (von heute und aus der deutschen Geschichte, siehe Konzept) über die dicht mit Menschen gefüllte Einkaufsstraße Zeil bis zur Galluswarte quer durch die Stadt. Gleichzeitig wurden Flyer verteilt, gefilmt und fotografiert.
Allein dieser erste Teil der Aktionen erreichte eine unzahl berührter und fragender Menschen, die für einen kurzen Moment spielerisch aus ihrer Einkaufsroutine herausgerissen und in einen künstlerischen Diskurs verwickelt wurden.

„Ein großes Transparent mit Namen.
Welchen besseren Weg gibt es, Menschen mit etwas zu konfrontieren, als es ihnen direkt vor die Nase zu halten und ihnen dann auch noch damit den Weg zu versperren? Den Weg, den sie jeden Tag laufen und der sie durch ihre tägliche Routine treibt. Diesen Moment erwischen und plötzlich aufbrechen, das war das Ziel unserer Aktion.

Deshalb haben wir ein 50m langes Transparent mehrmals über weite Strecken durch die Innenstadt getragen und am dann an einer Brücke befestigt.
Auf dem Transparent stehen Namen von deportierten jüdischen Menschen und politisch Verfolgten, die im Klapperfeld Gefängnis inhaftiert waren. Die Konfrontation mit diesen Namen in einem scheinbar gewohnten Umfeld soll das Gefühl von Sicherheit aufbrechen und die Menschen auch zum Nachdenken/Nachforschen bringen. Das selbstständige Suchen nach Mustern und zusammenhänge der Namen ist Teil der Aktion. Zusätzlich gab es allerdings auch dann noch Flyer und erklärende Worte, für die Menschen, die sich in ihrer Unsicherheit trauen nachzufragen.“
(O-Ton Performerinnen)

Gegen 12:00 Uhr fanden verschiedene kleinere einzel-Performances an der Galluswarte statt, Menschen wurden aufgefordert ihre Namen aussprechen, mittels eines “Glücksrads” gab es eine Verlosung von Namen etc. Hier traf man auf ein anderes Publikum als in der Einkaufsmeile Zeil. Die Leute dort haben oft einen migrantischen Hintergrund, das Gallusviertes steht als ein sozial niedriger stehends Quartiers Frankfurts. Diesen Ort zu wählen war für die Projektgruppe NAMEN sehr wichtig, es wurden entsprechend andere Personenkreise angesprochen, u.a. auch Kinder, die mit großer Freude ihre Namen in die bereitgestellten Megafone riefen. Auch dies sollte vermittelt werden: Kunst darf Spaß machen, darf einfach sein, direkt und sinnlich.

“Menschen laufen schnell in alle Richtungen, dazwischen eine Gruppe Menschen mit Megafonen.
Ab und zu wird eine langsamer und schaut sich das Spektakel genauer an. An unserem Glücksrad "Identitätris" haben sich Menschen einen neuen Namen erspielt.
Und damit eine neue Identität. Um den Namen herum wurden Geschichten gesponnen um dann kurz darauf die eigene "wahre" Identität erörtert zu bekommen.
Aus Leslie Groves wurde erst eine junge Künstlerin, dann ein Autor und am Ende einer der Köpfe hinter der Atombombe.
Unser Anliegen ist uns gelungen: Zu zeigen dass Namen nichts sagen. Es kommt auf die Geschichte, den Menschen dahinter an.” (O-Ton Performerinnen)

Um 14:00 Uhr wurden in der Straßenbahn, zurück in Richtung Innenstadt Namen von Geflüchteten verlesen, Listen mit entsprechenden Namen verteilt. Eine sehr spannende und äusserst ungewöhnliche Location, um Menschen mit Kunst zu konfrontieren. Das war extrem bewegend und ist auch sehr gut verlaufen.

"Ganz spontan, auf welcher dieser Listen würden sie lieber stehen?"
"Ähh...ähh...Die da?!"
"Und warum?"
"Also...die andere, da sind so super viele ausländische Namen...Und mit der hier kann ich mich irgendwie...besser identifizieren."
"Was meinen sie was das für Listen sind?"
"Hmm..einmal unbekannte deutsche Schauspieler und einmal...vielleicht...keine Ahnung!"
"Die "ausländischen" Namen sind Abiturabgänger in Berlin 2013"
"...."
"Das andere sind gestorbene Geflüchtete"
"Klaus...Elke...das sind doch keine Flüchtlinge!"
"Doch doch, von Ost- nach West-Berlin" (O-Ton Performerinnen)

Um 15:00 Uhr fanden am Goetheplatz mehrere zentrale Performances statt, die wir als unsere “Hauptaktion bezeichnen möchten. Es handelte sich um eine Art choreografiertes Tanztheater mit Musik aus einem am Goethedenkmal aufgehängten großen Megafon, Verlesung und Singung von Namen. Diese Aufführungen wurden mit spontanem Applaus der verbeikommenden Zuschauer belohnt und wegen des großen Erfolgs mehrfach wiederholt.

“Die Theaterperformance, die wir an mehreren Orten in der Innenstadt aufführten zeigt das Wechselspiel von Normen und der Gesellschaft aus der diese hervorgehen.
Durch ein disponiertes Megaphon scheinen Normen und der Takt diktiert zu werden dem alle folgen. Jedes Individuum läuft und tanzt identitätssuchend durch den Raum, orientiert sich an gerufenen Namen, ist vereinzelt in der Masse und kurzzeitig aufgehoben im Gemeinschaftsgefühl der Gruppe. Einzelne Namen werden auserwählt und düfen mitdiktieren worunter andere leiden müssen. Die scheinbar höhere Instanz kann allerdings durch jedes einzelne Individuum die Legitimität verlieren. Ein Normenbruch, ein Aufstand, die Vernunft derer die ihre Verantwortung nicht (mehr) abgeben wollen bringt mit einer Rückkopplung das Megaphon zum schweigen.
Auf der Straße überschreitet die Performance emotional die Grenze zwischen Bühne und Publikum. Jede zuschauende Person ist ein wissender Teil der Situation, der wie die Mitläufer der Performance der
Unterdrückung und dem Elend durch Tatenlosigkeit scheinbar zustimmt. Das ausgelöste Unbegahgen ist eine Einladung zur Reflektion und eine Anregung zu selbstbestimmtem Handeln.” (O-Ton Performerinnen)

Um 16:00 Uhr zog die Gruppe wieder mit dem Namensbanner zurück zur Zeil – dann zur Hauptwache, parallel wurden weiterhin Flyer verteilt

Um 17:00 wurde das Banner schließlich als vorläufiger Höhepunkt an der Friedensbrücke angebracht. Man konnte es von weit her vom abendlichen Berufsverkehr aus bewundern, ebenso von den Ufern, wo sich zahlreiche Spaziergänger befanden. Es wurde von vielen Menschen spontan fotografiert und, wie wir später erfuhren, auf Twitter, Facebook etc. veröffentlicht.

Anschließend gab es noch eine ursprünglich nicht eingeplante Wiederholung der Tanztheater-Aufführung am Mainufer, Höhe Friedensbrücke sowie spontane kleine Aktionen Richtung Kaiserstraße und Verteilen von Flyern.

Wenige Tage nach dem Aktionstag vermeldete die  Tagesschau Aktuell sehr passend zu unserem Thema: http://www.tagesschau.de/inland/wohnungsmarkt-diskriminierung-101.html
Woraus wir schließen konnten, dass unsere Projekt-Idee wirklich eine frappierende Aktualität besitzt.
Das Wesen der Aktion war insgesamt, wie im Konzept ausführlich beschrieben, im gesamten Stadtraum mobil unterwegs die Kunstperformances aufscheinen zu lassen, dort, wo sich die Begegnungen mit den Menschen ergeben würden. Daher war es ein Kompromiß und Zugeständnis an die Organisatoren sich auf einen bestimmten Ort und eine bestimmte Zeit fest zu verabreden, um am Goethetplatz eine bestimmte Aktion auszuführen.
Schade, dass scheinbar niemand von den Organisatoren oder offiziellen Besuchern der DEMOKRATIEKONFERENZ anlässlich des ersten Anne Frank-Tags der Stadt Frankfurt zu diesem verabredeten Treffen auf dem Goetheplatz, zu unserer zentralen Aufführung erschienen ist. Das hat in der gesamten Gruppe Unverständnis und eine gewisse Enttäuschung ausgelöst.

Ansonsten verlief alles sehr gut und positiv.
Wir freuen uns, dass wir an dem Projekt teilnehmen durften.

Ein Videozusammenschnitt der verschiedenen Aktionen ist in Arbeit und wird nachgereicht.
Neben den schon geschickten Fotos, finden sie hier weitere sehr stimmige Eindrücke unserer Performances: https://we.tl/vGtY6p8EhZ

Auf der Website von textXTND finden sie hier NAMEN / 2017 weitere Infos zu dem Projekt.

Eine detaillierte Abrechnung der Kosten und Verwendungsplan der Fördergelder kommt wie gewünscht Ende August.

Gruppe „Namenlos“, eine Produktion von textXTND

 

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