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JAMES JOYCE. 18 LIEDER / 1998

Minimale Aufführung


mehr Presse:

Frankfurter Rundschau 17. 01. 1998:
Zurück aus dem Meer
Michaela Ehinger spielt im Gallus - Theater schweigend Joyce
Da steht eine Schauspielerin auf der Bühne und macht kein einziges Mal den Mund auf. Eine dreiviertel Stunde lang. Und dabei geht es doch ausgerechnet um eine Passage aus einem der sprachgewaltigsten Werke unseres Jahrhunderts. Sie bewegt sich auch wenig. Rührt sich nicht vom Fleck, bis das Licht erlischt. In 18 Liedern haben Michaela Ehinger und der Komponist Christoph Korn den Monolog der Anna Livia aus James Joyce "Finnegans Wake" gefaßt.
Die zweite "Minimale Aufführung" im Gallus Theater wird dem Titel der von Korn in Verbindung mit dem Forum improvisierenden Musiker (FIM) ins Leben gerufenen Reihe im radikalsten Sinne gerecht. Ein doppelter Minimalismus - szenisch und musikalisch. Lieder mit Worten. Dafür ohne Musik. Sieht man einmal ab von der
Sprachmelodie. Vom Band kommt Michaela Ehingers Stimme. Zweistimmig, einmal flüsternd, einmal "normal". Wenn uns das Ohr nicht trügt, zuweilen elektronisch verfremdet, kaum merklich. Und auf der kahlen, schwarzen Bühne ist Michaela Ehinger einfach da. Mehr nicht. Nur die Augen wandern. Von Lied zu Lied verändert sich die Haltung der Arme und Hände. Leichte Gewichtsverlagerungen zwischen Stand- und Spielbein. Anfänglich umspielt ,gelegentlich ein spöttisches Lächeln ihren Mund. Ein wenig wirkt sie wartend, keineswegs aber wie bestellt und nicht abgeholt. Dazu sind Gesichtsausdruck und Körperhaltung zu selbstbewußt, zu sehr in sich ruhend.

Ein Hörspiel mit Blickfang, könnten wenig wohlwollende bekritteln. Doch die äußerste Reduktion ergibt über den Schick der spektakulären Schlichtheit hinaus einen Sinn. Schließlich ist Anna Livia, von Arno Schmidt bezeichnet als "eine rothaarige, schwatzhafte, nimmer=unlüsterne Puppe", eine Traumgestalt. Anna Livia verkörpert antipodisch zum Männlich-Schöpferischen, aber auch Zerstörerischen, das Weiblich-Fließende, ergießt sich im Traum des Dubliner Kneipiers Porter ins Meer und wird über den Umweg einer Regenwolke wieder an die Quelle zurückkehren. Dieser phantastische Stoff verschließt sich jedem Versuch einer realistischen Darstellung. So erscheint der hier gewählte Weg -
Stimmen dringen auf das menschliche Wesen ein - gangbar und schlüssig.
Wunderbar: Die reduktionistische Inszenierung wirkt bei aller Gleichförmigkeit der Sprechgestalt keine Sekunde langatmig.

Stefan Michalzik



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